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Gegenwind für Großmarkt-Umzug

■ SPD und Wirtschaftsressort wollen Beschluß nicht gegen Händler durchboxen

Die geplante Verlagerung des Großmarktes vom Flughafen in den Überseehafen soll nicht gegen den Widerstand der Markthändler durchgepeitscht werden. Man könne eine solche Entscheidung nicht in diese „emotional aufgeheizte Stimmung hinein“ treffen, hieß es aus dem Wirtschaftsressort. Auch SPD-Bürgerschaftsabgeordnete meldeten weiteren Diskussionsbedarf über die in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD festgeschriebene Verlagerung an, die mit 150 Millionen Mark aus dem Investitionssonderprogramm finanziert werden soll.

Ziel der Wirtschaftsbehörde ist eine Aufwertung sowohl des alten Hafenareals als auch ein Zugewinn für das begehrte Gewerbegebiet am Flughafen. Die Großmarkthändler protestieren gegen die „Zerschlagung gewachsener Strukturen“ zugunsten von „Glücksspielen in der Zukunft“: Der Großmarkt funktioniere, setze mit 128 Firmen und täglich 1.400 Kunden 300 Millionen Mark im Jahr um, arbeite ohne Subventionen und biete 700 oft ungelernten Arbeitern Lohn und Brot.

Die Markthändler fühlen sich bei den Umzugsplänen übergangen und drohen, nach Niedersachsen auszuweichen. Die Stadt Weyhe habe sogar schon ein Gelände angeboten, sagt Händler Heiko Eckhoff. Die kleineren Firmen hätten keine Lust, sich von ihrem Konkurrenten, dem Fruchtmulti Atlanta, abhängig zu machen. Unter den Markthändlern ist sicher: Atlanta soll den neuen Großmarkt bauen und betreiben. „Atlanta hat schon früher gesagt: Was braucht Bremen einen Großmarkt, der Großmarkt sind wir“, so Händler Dieter Himmelskamp.

Atlanta-Sprecher Manfred Herrmann sagt dagegen, Atlanta habe kein Interesse am Baugeschäft und wolle im neuen Großmarkt – so wie im bestehenden – nur mit der Tochterfirma Hameiko als Mieter einziehen. Allerdings ist eine andere Tochtergesellschaft der Atlanta-Gruppe, die B+T Bautechnik GmbH, an der Heidelberger Investorengesellschaft HAPEG mit Minderheit beteiligt. Die HAPEG hatte bei der Ausschreibung des Großmarkt-Projektes ein Angebot abgegeben. Und von der Firma, die nach Angaben Herrmanns schon einige Großmärkte in anderen Städten geplant hat, stammt auch das jüngste Gutachten, das die Großmarktverlagerung in den Überseehafen empfiehlt. Verschwörungstheorien über eine enge Verbindung von Atlanta-Chef Bernt-Artin Wessels zur CDU und zum Wirtschafts-Staatsrat Frank Haller, wie sie unter den Händlern kursieren, weist Herrmann jedoch als „Fabeln“ zurück.

Die Stadt wäre nach Auskunft von Klaus-Wilhelm Timm aus dem Wirtschaftsressort bereit, die Gewerbefläche im Überseehafen heftig zu subventionieren und für 30 Mark pro Quadratmeter zu verkaufen. „Damit die Mieten billig bleiben“, so Timm. Der Standort sei gut geeignet, auch weil im Überseehafen bereits der Fruchtterminal der Atlanta liege. Die Stadt werde die Kontrolle über die Betreibergesellschaft des Großmarktes behalten.

Es sei unredlich, so Timm, die 73 Millionen Mark, für die das Überseehafen-Areal hergerichtet werden soll, den Kosten für das „Gewerbegebiet Airport-Neu“ zuzuschlagen, wie es die Großhändler tun. In die alten Hafengebiete müßte die Stadt sowieso investieren. Außerdem soll der Großmarkt mit privatem Kapital (geschätzt 70 Mio) gebaut werden. Wenn man nur den Abriß der alten Hallen, die Ablösung eines anhängigen Banckredits des Großmarkts von 22 Millionen sowie die Herrichtung des Geländes einrechne, komme man auf 500 Mark für jeden der 120.000 Quadratmeter Top-Gewerbefläche am Flugplatz, so Timm: „Das liegt im üblichen Rahmen“.

Viele Kritiker unter den Händlern sind aber grundsätzlich gegen eine Verlagerung. Sie sind nicht bereit, aus stadtplanerischen Gründen in die „Wüste“ des alten Hafens zu ziehen, wo es noch nicht die erforderliche Infrstruktur gebe. Sie verlören im Hafen ihre Nähe zu anderen Großhändlern wie Metro und Edeka an der Neuenlander Straße, die Kunden bei einer Tour ansteuern könnten. Wenn es endlich Planungssicherheit gebe, seien die Händler auch bereit, schnell in die bestehenden Hallen zu investieren, sagt Fischgroßhändler Peter Koch-Bode.

Die Nähe zum Flughafen sei auch für den Großmarkt ein Standortvorteil, so ein Händler. Schnittblumen aus Israel, Früchte und Frischfisch würden zunehmend eingeflogen. „Der Flughafen spielt für die Belieferung des Großmarktes keine Rolle“, kontert Timm. „Das haben wir prüfen lassen“.

jof

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