: Familienkarosse nur für Osteuropäer
Opel baut in Oberschlesien ein neues Werk für 470 Millionen Mark. Bis zu 150.000 Wagen im Jahr sollen dort von 2.000 Leuten montiert werden. Neue Jobs auch für Zulieferer ■ Aus Gliwice Gabriele Lesser
Vier Männer mit Spaten posierten am Dienstag im oberschlesischen Gliwice vor einer Schar Fotografen. Außenminister Klaus Kinkel, der polnische Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski und die Chefs von General Motors in Detroit und der Adam Opel AG in Rüsselsheim hatten sich zum Baubeginn des neuen Opelwerkes eingefunden. 470 Millionen Mark investiert Opel in eine Industrieregion, die von Bergbau, Stahlhütten und chemischer Indutrie geprägt ist. Autos wurden in dieser Region noch nie gebaut. In dem Ort Gliwice (deutsch Gleiwitz) gibt es außer einer alten Panzerfabrik aus sozialistischen Zeiten noch gar keine Industrie.
Das Interesse Opels am polnischen Markt besteht schon seit einigen Jahren. Im November 1994 liefen die ersten Opel-Astras in Warschau vom Band. Bis zu 10.000 Wagen können dort im Jahr montiert werden. Opel hat eigenen Angaben zufolge den Verkauf auf dem polnischen Markt im ersten Halbjahr dieses Jahr um 65 Prozent auf knapp 30.000 Wagen steigern können.
In dem hochmodernen Werk in Gliwice sollen in rund zwei Jahren zunächst 75.000 Wagen, später bis zu 150.000 produziert werden. Abnehmer sollen die Konsumenten in Polen, Tschechien, Ungarn und den GUS-Staaten sein. In Deutschland soll das „Familienauto“, das speziell für den osteuropäischen Markt hergestellt wird, nicht angeboten werden.
Für die Region, die seit Jahren in einer tiefen Strukturkrise steckt und Massenentlassungen der defizitär arbeitenden Kohlebergwerke und Stahlhütten fürchtet, bedeutet die Großinvestition von Opel eine enorme Hilfe. Im Werk selbst sollen 2.000 Arbeitsplätze entstehen und durch die Zuliefererbetriebe noch einmal 20.000 bis 30.000. Die polnische Regierung hat sich die Investition Opels daher einiges kosten lassen. Im Kattowitzer Raum, der auch Gliwice umfaßt, wurde eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet, die den Investoren eine zehnjährige Steuerfreiheit zubilligt sowie weitere zehn Jahre, in denen sie nur 50 Prozent Steuern bezahlen. Die Entscheidung für den Standort dürften aber die gute Infrastruktur und die Aussicht auf hervorragend qualifizierte Facharbeiter und Ingenieure mitbeeinflußt haben. In Gliwice gibt es zahlreiche Berufsfachschulen und die zweitgrößte Technische Universität Polens.
Opel führt deutsche Investorenriege an
In seiner Ansprache vor dem „symbolischen Spatenstich“ hob David Herman, der Vorstandsvorsitzende der Adam Opel AG, hervor, daß es sich um die größte deutsche Investition in Polen handle. Nach einer Investorenübersicht der Polnischen Agentur für Ausländische Investitionen wird das Opel-Engagement nur noch von der italienischen Autofirma Fiat und einigen internationalen Bankenkonsortien übertroffen. An zweiter Stelle der deutschen Investoren stehen die Reemstma Cigarettenfabriken, die knapp 200 Millionen Mark nach Polen gebracht haben, gefolgt von der Zementfabrik Dyckerhoff und der Passauer Neuen Presse mit jeweils knapp 150 Millionen Mark und Siemens mit etwa 100 Millionen Mark. Insgesamt haben in den letzten sechs Jahren deutsche Firmen in Polen rund 2,5 Milliarden Mark investiert.
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