: „Kampf diesem System“: Doch kaum einer will am Einheitstag kämpfen
München/Berlin (taz) – 250.000 Zuschauer sahen sich gestern den offiziellen Festumzug in Berlin zur deutschen Einheit an, bei dem zwölf schwarzrotgoldene Fahnenschwenker den Auftakt bildeten. Auf nur 3.000 Fußgänger kam in der Hauptstadt eine antimilitaristische „Jubelparade“ mit dem Motto: „Das Volk lacht das Militär aus“. Am Mittwoch waren 700 Göttinger „Gegen die Wiedervereinigung“ unterwegs. Und 2.500 Teilnehmer fanden sich in München zum zentralen Protestmarsch des „Aktionsbündnis gegen die nationalen Einheitsfeiern“ ein. Alle Versammlungen verliefen ohne größere Zwischenfälle.
Mit Transparenten wie „Kampf diesem System. Trotz alledem“ oder auch nur „Waffen sind Scheiße“ zogen die Münchner Demonstranten durch die Innenstadt. Ein Demonstrant wurde festgenommen, weil er ein Transparent seitlich am Protestzug trug und so den Beamten den Einblick ins Innere der Demo verwehrte – das ist in München verboten. Die „Vermummung durch gleichzeitiges Tragen von Kapuze und Sonnenbrille“ wurde von der Polizei aber meist toleriert.
In seiner Rede betonte Siegfried Benker, grüner Fraktionschef im Münchner Rathaus, daß sich der Protest nicht gegen die Wiedervereinigung an sich richte: „Wir wollen die DDR nicht wiederhaben, sondern wir wollen eine Republik ohne Sozialraubbau, ohne Verfolgung und Diskriminierung von ethnischen Minderheiten und natürlich ohne diese Regierung.“ Benker hatte im Vorfeld heftige Kritik einstecken müssen, weil der Demo-Aufruf nicht nur von den Grünen und der „KO Vollwertbäckerei München“ unterzeichnet worden war, sondern auch von PDS und DKP.
Jakob Moneta, Exchefredakteur der Gewerkschaftszeitung metall, freute sich, daß „jetzt zusammenwächst, was zusammengehört: der Protest in Ost und West“. Am Abend sollte Moneta noch mit Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform der PDS über „Einheitsopfer und Einheitsprofiteure“ diskutieren. Stefan Kuzmany
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