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Selbst und mit Computer

Am liebsten „Fakten“: Teenager holen sich im „Jugendinformationszentrum“ (JIZ) alles über Drogen, Beruf, Liebe und Reisen ab  ■ Von Elke Spanner

Wodurch kann man Deiner Meinung nach drogensüchtig werden? Alternative A: Durch Vererbung durch die Eltern. Nadine K. überzeugt diese Lösung nicht. Sie klickt weiter. B: Seelische Probleme? Mädchen und Jungs drängen sich um den Computer, wechseln sich mit dem Switchen durch das „Interaktive Informationsprojekt“ ab: Drogen, Beruf, Liebe, Reisen. Computer, das zeichnete sich schon bei der Eröffnung des „Jugendinformationszentrums (JIZ)“ Mitte September ab, sind gefragt. Die zahlreichen Bücher und Broschüren in der hauseigenen Bibliothek bleiben an diesem Tag vorerst ungelesen.

Im JIZ werden Termine, Adressen und praktische Tips aus möglichst vielen Alltags-Bereichen gesammelt – ein riesiges Archiv über alles, was Jugendlichen auf der Seele brennt. Du willst einfach mal raus aus Hamburg? Als Au Pair oder per Jugendaustausch oder... Streß zu Hause? Deine Ma hat nie Zeit für Dich und Dein Dad interessiert sich doch nur für Deine Schulnoten. Familienberatungsstellen könnten helfen, aber wo findest Du die? Und wo gibt es verbilligte Karten für Culture & Co?

Hier wird zusammengetragen, was bisher über die Stadt verteilt in Jugendzentren, auf Plakaten oder in Zeitschriften zu finden war – nach mühsamer Eigenrecherche. Diese wird der Zielgruppe zwischen 10 und 27 nun abgenommen. 10 MitarbeiterInnen des JIZ sammeln, systematisieren und verarbeiten jugendgerecht, was ihnen in die Hände fällt. So ist eine Wand des JIZ zugepflastert mit Faltblättern, Merkzetteln und Broschüren, allesamt zum reinschnüffeln, mitnehmen, weiterlesen.

Obwohl die Jugendlichen lieber selbständig auf dem Computer finden wollen, was sie suchen, müssen sie die nächsten Wochen auf die herkömmlichen Infoquellen im JIZ zurückgreifen. Computer des „Interaktiven Informationsprogrammes“ stehen bislang nämlich nur in der „Medienfachberatung“, und die befindet sich in den Verwaltungsräumen des JIZ im 1. Stock. Im eigentlichen Laden, erkennbar an der mit Luftballons geschmückten Fassade, gibt's Lesestoff – und Beratung. Auf Wunsch. Die meisten Jugendlichen, das weiß Olivia Polo, Praktikantin im JIZ, schon drei Wochen nach der Eröffnung zu berichten, wollen lieber alleine stöbern.

Mit in den Räumen des JIZ ist auch das Büro des Kulturrings der Jugend. So gibt es bereits ein Kommen und Gehen, obwohl das JIZ sich bei Hamburgs Jugendlichen erst noch einen Namen machen muß. Doch schon jetzt ist Olivia Polo vom JIZ überzeugt: „Es besteht ein großer Bedarf bei den Jugendlichen, den viele erst jetzt entdecken.“ Wie Sandra P. zum Beispiel. Die Schülerin ist 16 Jahre, wird nächsten Sommer ihren Abschluß machen – für sie der Sprung ins Ungewisse. Deshalb kam sie ins JIZ. „Im Berufsberatungszentrum sind alle total unfreundlich“, mosert sie. „Hier sind die Mitarbeiter extra für Jugendliche da und kennen sich mit deren Problemen aus.“ Sandra will keine Beratung, sondern sich selbst per Computer über Ausbildungswege informieren. „Gespräche bringen mir nichts. Ich brauche Fakten“. Und die bekommt sie im JIZ: Mit mehreren Faltblättern zur Jobsuche und einem Stapel Adressen verläßt sie die Infobörse.

Doch auch, wer eine Beratung möchte, ist im JIZ willkommen. Und das gilt nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Eltern, LehrerInnen, ErzieherInnen. „Vorhin war ein Vater da, der an seinen Sohn nicht mehr rankommt und deshalb vermutet, daß er Drogen nimmt“, erzählt Olivia Polo. Nachdem sie im Gespräch versucht hat herauszufinden, ob eigentlich der Sohn oder der Vater ein Problem hat, konnte sie letzteren an eine Fachberatungsstelle weiterverweisen. Dann rief eine Mutter an, die von den JIZ-MitarbeiterInnen wissen wollte, was sie von einem bestimmten Jugendverband zu halten habe, mit dem ihre Tochter verreisen wollte. Nicht, daß der einer Sekte angehört?

Jugendinformationszentren, in Hamburg ein Novum, gehören in anderen Städten schon seit langem zum Standardangebot. In München wurde das erste schon vor dreißig Jahren gegründet, ähnliche Infobörsen gibt es in Nürnberg, Münster, Augsburg, Essen und Bonn. In Berlin und Halle ist das JIZ in öffentliche Bücherhallen integriert. Ulrike Schmidt von der Koordinierungsstelle in Bonn weiß, daß sich die „ganz andere Art, Infos rüberzubringen“ bewährt habe: „Im JIZ werden für die Kids Schwellen abgebaut“, erzählt sie. „In Beratungsstellen trauen sich viele nicht rein, weil sie sich dann gleich als Problemfall stigmatisiert fühlen“.

JIZ, Steinstraße 17a bzw. 7 (Büro), U-Bahn Steinstraße (City), Mo bis Do 13.30 bis 18 Uhr, Fr 13.30 bis 19 Uhr.

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