: Schuster, die nicht bei ihren Leisten bleiben: Weiterbildung im Ausland
■ Der Verein für europäische Bildung vermittelt handwerklich-künstlerische Berufspraktika im Ausland
Was ist ein Basma? Dieser Fachausdruck für den Silber- oder Messingbeschlag einer Ikone ist für Julia S. kein Fremdwort mehr. Drei Monate lang retuschierte, wachste und reinigte sie wertvolle byzantinische Ikonen – als Praktikantin bei Restaurator Michalis Troulinos im griechischen Rethymno. Die 27jährige hatte in Bremen Abitur gemacht und wollte unbedingt Restauratorin werden. Sie bewarb sich beim Veb: Das europäische Bildungsinstitut in Bremen, das berufliche Weiterbildungsprogramme für Nicht-Akademiker in Europa vermittelt – und ging drei Monate lang auf Bildungsfahrt.
Seit 1989 bietet der gemeinnützige Veb EU-Maßnahmen für ausgebildete oder berufserfahrene Menschen an. StudentInnen haben keine Chance, denn für sie gibt es inzwischen eine Vielzahl anderer Stipendien- und Austauschprogramme. Allein in diesem Jahr sind bereits 130 junge ArbeitnehmerInnen zwischen 18 und 27 Jahren über den Veb ins europäische Ausland aufgebrochen: in die Veb-Partnerländer Italien, Griechenland, Spanien, Frankreich, England und Finnland – von der KostümbildnerIn, über die Reiseverkehrskauffrau bis zum Tischler. Denn die ArbeitnehmerInnen von morgen, so steht es auch in der Veb-Broschüre, sollen „ihr Handwerk verstehen, lokal und international denken und handeln können.“ Und das sei ohne berufliche Weiterbildung im Ausland kaum zu verwirklichen. Weil das Veb jährlich fast eine halbe Million EU-Gelder aquiriert, „steht der europäische Gedanke natürlich im Vordergrund“, erklärt Veb-Mitarbeiterin Christina Lesch. Leonardo da Vinci, Lingua und Sokrates sowie „Jugend in Europa“: So schimpfen sich einige der Programme“, die Brüssel für ein „Europa ohne Grenzen“ mittlerweile auf den Weg gebracht hat. „Die schweben da oft auf Wolke sieben“, sagt sie, „aber mit der Realität hat das oft wenig zu tun.“
Denn im Veb-Büro ist mittlerweile „die Hölle los“, so Lesch: im nächsten Jahr stellt das neunköpfige Veb-Team mehr als zehn Bildungsprogramme im Ausland auf die Beine: Vom Sozialprojekt in Griechenland für Kranken- und AltenpflegerInnen bis zum Restaurierungsprojekt in Italien für TischlerInnen, MaurerInnen und viele andere Berufssparten. „Da sind so manche Integrationshürden zu nehmen“, erzählt Veb-Gründungsmitglied Christian Sauter. Denn nicht nur deutsche ArbeitnehmerInnen düsen von Bremen aus ins italienische Florenz ab: Auch italienische ErzieherInnen, griechische RestauratorInnen und spanische KostümbildnerInnen werden von den Veb-Partnerorganisationen nach Bremen geschickt. „Wochenlang suche ich für sie eine Wohnung in Bremen. Doch dann höre ich bloß: Die Wände in der Küche sind nur per Hand gestrichen. Da kriege ich einen Anfall“, erzählt Christina Lesch. Doch was diese TeilnehmerIn so aufgeregt hat, nahmen andere mit Humor: Drei Monate lang allein in einer möblierten 60er Jahre Wohnung zu hauses, statt bei den Eltern auf Kreta, „das hat schon was.“ Für das Veb-Team ist klar: wer sich allein im Ausland zurechtzufindet, geht später mit einer „wichtigen Schlüsselqualifikation nach Hause“.
Doch nicht nur das: Debora Amoto ist gerade mit 14 anderen Italienern in Bremen angekommen: Sie nehmen an einem Sozialprojekt teil. „Ich will in Bremen mit Streetworkern zusammenarbeiten und lernen, wie sich die Bremer dabei organisieren.“ Richtige Streetworker nämlich gibt es in Florenz nicht, auch Supervision ist dort für viele Sozialpädagogen ein Fremdwort. Auch Paola Bertagnoli, die schon ein Jahr lang in Deutschland war, weiß: „Die Deutschen sind viel dynamischer als die Italiener. Ich habe in Deutschland viel mehr Möglichkeiten.“ Die Fremdsprachenstudentin wird wahrscheinlich in der Sonderschule am Wandrahm arbeiten. In Italien kommt die Ausbildung einem Studium gleich: Wer zum Beispiel Maurer lernt, macht vor allem erstmal Theorie. „Praktische Erfahrung sammeln sie erst, wenn sie in ihrem Beruf auch tatsächlich arbeiten“, erklärt Veb-Mitarbeiter Andreas Kraft.
Der Veb hat sich vor allem im Restaurierungs-Bereich einen Namen gemacht: „Das bieten in Deutschland nur wir an“, so Christina Lesch. TischlerInnen, MaurerInnen, MalerInnen und Zimmermänner klopfen beim Veb an, „weil sie unbedingt RestauratorIn werden wollen.“ Doch dazu sind erstmal jede Menge Praktika gefragt: „Und wer da schon mal byzantinische Ikonen in Griechenland oder Renaissance-Bauten wie die Villa Demidoff in Italien restauriert hat, bringt schon gute Qualifikationen mit.“ Zwar führt der Veb keine Statistik, wer durch sein Auslandspraktikum eine Stelle bekommen hat. Aber zwei bis drei von 15 TeilnehmerInnen kehren wieder an ihre alte Praktikumsstelle zurück: Die Abiturientin Julia hat es geschafft: Sie arbeitet jetzt als Restauratorin in Griechenland.
Katja Ubben
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