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Innenminister Kanther gibt es jetzt zu: Die Altersversorgung der Beamten steuert auf eine finanzielle Katastrophe zu. Künftig sollen Beamte selbst was abzwacken fürs Alter. Aber das ist zuwenig. Alle Privilegien bleiben erhalten, so will es

Innenminister Kanther gibt es jetzt zu: Die Altersversorgung der Beamten steuert auf eine finanzielle Katastrophe zu. Künftig sollen Beamte selbst was abzwacken fürs Alter. Aber das ist zuwenig. Alle Privilegien bleiben erhalten, so will es der Minister.

Kanther füttert Beamte durch

Der Versorgungsbericht hätte längst vorliegen müssen. Der Bundestag wollte das Papier über die finanzielle Situation der Altersversorgung für Beamte schon zu Anfang der Legislaturperiode sehen. Innenminister Manfred Kanther (CDU) allerdings hat bis gestern gewartet, weil er wußte: Die Kassenlage bei den Pensionen ist derart schlecht, daß das Berufsbeamtentum in der jetzigen Form nicht mehr haltbar ist. Dennoch will er an dem geltenden Beamtenrecht festhalten. Die steigenden Pensionslasten, so Kanther, könnten „innerhalb des Systems“ aufgefangen werden. In den Ländern, allen voran Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, denkt man da anders.

Denn der Crash ist vorprogrammiert. Spätestens im Jahr 2010 kommt es zum Verfassungskonflikt. Der Staat müßte dann, um die Beamtenpensionen noch bezahlen zu können, Kredite aufnehmen. Das aber darf er nicht, denn die Verfassung schreibt vor: Der Staat darf geliehenes Geld nur für Investitionen wie Neubauten verwenden, nicht aber für laufende Personalkosten. In den Ländern ist die Situation deswegen so dramatisch, weil sie einen Großteil der insgesamt 1,9 Millionen Beamten beschäftigen. 1,22 Millionen beamtete Staatsdiener stehen zwischen Kiel und München auf den Besoldungslisten. Allein die Pensionsausgaben der Länder werden sich bis zum Jahr 2008 auf 50 Milliarden Mark verdoppeln.

Diese Kassenlage hat die MinisterpräsidentInnen von Schleswig- Holstein und Rheinland-Pfalz, Heide Simonis (SPD) und Kurt Beck (SPD), dazu bewogen, die Notbremse zu ziehen: Der Kassenwart an der Förde legt pro Jahr 100 Millionen Mark für die Ruhestandsgehälter zurück. Und im Südwesten kommt für jeden neuen Beamten etwas auf die hohe Kante.

Innenminister Kanthers Vorschläge nehmen sich da bescheiden aus. 0,2 Prozent der Gehaltssteigerungen will er nicht an seine Staatsdiener weitergeben – ab dem Jahr 2001. Statt dessen möchte er das Geld für die Pensionen aufsparen. Kanther glaubt, so „den Versorgungsberg untertunneln zu können“, wie er gestern sagte. Die Kopf-in-den-Sand-Methode hat einen guten Grund. Kanther ist ein Beamtenfreund. Er weiß, wenn einer der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ fällt, dann wackelt das ganze System.

„Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.“ Hinter dieser schlichten Formulierung des Artikel 33 Grundgesetz verbergen sich handfeste Privilegien der Staatsdiener. Die gehen weit über das jetzt diskutierte „Alimentationsprinzip“ hinaus. Es garantiert dem Beamten, daß der Staat seine Versorgungsbezüge zu 100 Prozent übernimmt.

Wesentliches Moment der „hergelaufenen Grundsätze“, wie Kritiker sie nennen, ist die „Treuepflicht“: Der „Beamte hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen“. Die Gegenleistungen sind reichlich: Staatsdiener werden auf Lebenszeit angestellt und auch nach Ablauf des Dienstes voll alimentiert; sie steigen nach einem penibel geregelten Laufbahnprinzip auf, haben das Recht auf einen angemessenen Dienstposten und eine entsprechende Amtsbezeichnung. Staatsdiener üben ihren Dienst im „Hauptberuf“ aus – alles andere würde der „vollen Hingabe widersprechen“.

Die Folgen des Beamtenrechts sind paradox. Beispiel 1, das Laufbahnprinzip: Matthias M. sitzt in der Zwickmühle der Laufbahnen. Er ist ein überaus fleißiger Beamter, und er will beruflich aufsteigen. Aber in seinem derzeitigen Job im „gehobenen Dienst“ der Berliner Ministerialverwaltung kommt er nicht mehr voran, weil er sich bereits durch Fortbildung auf eine Stelle im „höheren Dienst“ vorbereitet und der „gehobene Dienst“ solche Anwärter nicht weiter fördert. Aber auch den Sprung in den „höheren Dienst“ schafft er im Moment – wegen der noch unzureichenden Qualifikation – nicht. Fazit: Der öffentliche Dienst bestraft motivierte und fähige Mitarbeiter.

Beispiel 2, achtungswürdiges Verhalten: Ein Tübinger Postbeamter mußte sich vom Dienstherrn verbieten lassen, in seiner Freizeit eine Jazztrompete zu blasen. Mit dem Posthorn wäre der Mann gut gefahren, aber der Jazz wurde ihm als „verbotene Nebenbeschäftigung“ untersagt.

In den 70er Jahren war schon einmal der vergebliche Versuch unternommen worden, die „hergebrachten Grundsätze“ zu kippen. Damals standen demokratische Dienstrechtsreformer wie der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler jenen gegenüber, die schon eine geringfügige Veränderung des Beamtenrechts als Verfassungsbruch ansahen. Der Beamte sei ein Garant des Rechtsstaats, meint etwa der Dienstrechtler Walter Leisner. Die Abschaffung des Beamtenrechts kommt für Leisner einem Putsch gleich. Der Beamte als Repräsentant des Staates, so Leisner, müsse immer wieder wie ein Partisan in die feindliche Gesellschaft vordringen. Da braucht es Grundsätze.

Der Beamtenbund hat gestern ganz im Sinne Leisners reagiert. Schon das Zurückhalten von 0,2 Prozent der Gehaltssteigerungen, wie sie Kanther praktizieren will, sei „verfassungswidrig“. Christian Füller

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