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Ganz in Black

■ Während auf dem Grab die weißen Rosen blühen, widmet Premiere Roy Black zu dessen Todestag einen Themenabend

Er starb heute vor fünf Jahren. Einsam in einer alten Berghütte. Nur die Bild-Zeitung hatte einmal mehr ihr Ohr an der richtigen Stelle der Volksseele und thematisierte verkaufsfördernd sein Hinscheiden in gebührend großen Buchstaben auf der Titelseite – andere Medien versteckten seinen Tod im Vermischten. Sein Ableben wird allmählich zur Legende.

Bis heute ist ungeklärt, wie Gerd Höllerich alias Roy Black ums Leben kam. Versagte seine Leber nach all den Litern Alkohol, die er unentwegt in sich hineinschüttete? Oder war es gar ein Herzversagen? Ein Herz – was für eine Drehbuchvorlage – von Kummer gebrochen? Schrieb nicht schon Bravo 1966, ein Jahr nach seinem ersten großen Schlager „Du bist nicht allein“ ahnungsvoll: „Von Millionen geliebt, sang er sich in unsere Herzen. Eine leuchtende Karriere begann. Sie verlangte ein großes Opfer. Roy Black blieb allein. Das große Glück, die Liebe, blieb ihm versagt.“

Sein Tod rührt seine Fans bis heute. Alljährlich treffen sich viele von ihnen in Augsburg, dort, wo er aufwuchs. Auf sein Grab legen sie Rosen, aus Kassettenrekordern plärt „Ganz in Weiß“ oder „Schön ist es auf der Welt zu sein“. Kein anderer Showstar der Nachkriegszeit bewegt so die Gemüter wie eben dieser verhinderte Rock'n'Roller, dieses Armeleutekind aus Bayern namens Roy Black.

Kaum eine Braut der sechziger oder siebziger Jahre, die nicht einen wie ihn haben wollte: Romantischer Blick, irgendwie gebrochen – so wie seine Stimme, dunkel timbriert, durch kleine Schluchzer wie bei unterdrücktem Weinen akzentuiert, dennoch fest im Ausdruck. Dazu die treuen, dunklen Augen: Das war der Schlafzimmergott fast aller Frauen seiner Generation, die einen wie ihn wollten und die Grobiane der Wirtschaftswunderjahre im stillen satt hatten.

Tragisch nur, daß Roy Black im wirklichen Leben mehr soff und hurte, als jene Männer, von denen seine weiblichen Fans sich gerade Abstand erträumten. Ein Widerspruch der geradezu nach Aufhellung schreit. Premiere, immer auf der Suche nach pfiffigen Flicken für Programmlücken, bestreitet heute einen ganzen Abend mit Erinnerungen an diesen Star, der den Deutschen eine Antwort auf die irritierenden Kulturerschütterungen der Beat-Ära zu formulieren wußte. „Du bist nicht allein“, heißt das Stück, in dem Christoph Waltz, bekannt aus „Tag der Abrechnung – der Amokläufer von Euskirchen“ den Schnulzenprinz gibt. Er tut dies sehr schön – kenntlich wird ein Mann, der, angetörnt durch die Musik, die die amerikanischen Besatzer nach Bayern brachten, vor allem modern sein wollte, dem Beat huldigte und der Kultur der 68er, ohne sich je politisch zu ihr zu bekennen.

Waltz spielt nicht nur den Roy Black, der in der Hitparade herumschmachtet, er scheint ihn neu zu leben. Streckenweise guckt der Zynismus durch, der auch einen wie Roy Black packte, wenn es gar zu zuckrig wurde um ihn und seine Rolle. Höllerich wäre offenbar froh gewesen, wenn er wenigstens versehentlich mal für einen Bürgerschreck gehalten worden wäre. Doch nicht einmal dieses kleine Mißverständnis ward ihm zuteil. Schlimmer noch: Bevor der Punk endgültig Mitte der siebziger Jahre mit der Folklorisierung des Rock'n'Roll aufräumte und auch einem wie Roy Black eine Chance eröffnet hätte, das Künstliche ganz echt zu leben, war er nicht mehr gefragt. Er wollte, wie er einmal sagte, endlich „anspruchsvolle Lieder“ singen. Das wollten aber seine Manager nicht.

1974 war Roy Black megaout, ein Fall für die Trinkerheilanstalt, verheiratet, am Ende und von den Plattenfirmen abgetan. Erst Anfang der achtziger Jahre erlebte er als Chef des RTL-„Schlosses am Wörthersee“ eine Renaissance.

Spürbar wird in dem von Premiere koproduzierten Streifen wenigstens und immerhin ansatzweise, welch großartiges Popjuwel den Deutschen von der Liebe vorsang, von dem Gefühl, das meist im richtigen Leben nicht vorkommt und deshalb in den Vorstellungen um so heller scheint. Waltz, aber auch Jenny Schily in der Rolle der Silke, Blacks Jugendliebe, machen ihre Sache gut. Besser wird sie nur durch die ZDF-Dokumentation aus dem Jahre 1969, die der Pay- TV-Sender um 22.20 Uhr zeigt: „Zum Beispiel Roy Black“, eine TV-Kostbarkeit, die den Irrsinn belegt, Künstlern wie Höllerich jeden Respekt zu versagen und ihn lediglich als Marionette von Managern zu sehen.

In Frankreich wäre der Tod eines Stars vom Kaliber Blacks in der Hauptsendezeit gewürdigt worden. In Deutschland gilt dies als undenkbar. Der Themenabend zu Roy Black beweist, daß man dies würdigt und trotzdem kritisch absolvieren kann. Jan Feddersen

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