: Integre Persönlichkeiten
„Faster Pussycat! Kill! Kill!“ – ein Vorbild moderner Rächerinnen? Die 8. Feminale in Köln präsentierte sich als ein Festival im Diskurswandel ■ Von Gudrun Holz
Im Programm der 5. Feminale zogen die Veranstalterinnen des Kölner Frauenfilmfestivals 1990 den Schluß, daß Frauen nicht automatisch „andere Filme“ machen. Und auch im unkonventionellen Gebrauch filmsprachlicher Mittel manifestiere sich noch keine „feministische Position“. Drei Festivaldurchläufe später ist die Entscheidung, das Gesamtwerk Valie Exports zum Thema der Retrospektive der 8. Feminale zu machen, durchaus programmatisch. Zudem entspricht sie dem Werkschaucharakter, den das 1984 gegründete Festival in den Anfängen anstrebte. Zeigt doch die Arbeit der Österreicherin Export nicht nur ein divergierendes Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen (Spielfilm, Experimentalfilm, Aktionskunst, Performance, multimediale Installation, Computerarbeiten), sondern vor allem die konsequente Beschäftigung mit Themen wie (strukturelle) Gewalt, Sexualität und dem weiblichen Körper als liebstem Objekt der Kunstgeschichte.
Die Auswahl reichte von „Orgasmus“ (1967), dem „vielleicht ersten modernen feministischen Film“ (Sylvia Eiblmayr), der ein weibliches Genital bei eben dieser Aktion zeigt, bis zu den Spielfilmen „Unsichtbare Gegner“ (1976) und „Die Praxis der Liebe“ (1984). Valie Export, die ihre Produktionen als „mediale Anagramme“ bezeichnet, hat dort auf den ersten Blick das schlicht narrative Genre als psychologische Studie („Unsichtbare Gegner“) oder Spionagethriller inklusive Anti-Romanze („Die Praxis der Liebe“) bedient. Die Filmheldinnen sind Medienarbeiterinnen, Fotografin und Journalistin. Auf subtile Weise werden diese Bereiche so in den Handlungsverlauf eingebaut, daß sie über den Rahmen des klassischen Spielfilms hinausreichen. Mehr als die Chronologie ihrer disparaten Liebesbeziehungen bleibt von Judith (Adelheid Arndt in „Praxis der Liebe“) in der Erinnerung, wie sie die Videomonitore in ihrem Studio rearrangiert und sie wie eine Spektralanalyse ihrer Persönlichkeit das eigene Bild in Varianten reproduzieren läßt.
Ein anderer Programmschwerpunkt war das heiß diskutierte „Festival der Kritikerinnen“ – ein Novum. Fünf internationale Filmkritikerinnen und Journalistinnen stellten unter der Moderation von Heide Schlüpman („Frauen und Film“) je einen Film ihrer Wahl vor und nach der Vorführung zur Diskussion. Daß unter der Auswahl der Kritikerinnen auch Filme von Regisseuren waren, mag auf einem dem „Frauenfilm“ gewidmeten Festival überraschen; daß ausgerechnet „Faster Pussycat! Kill! Kill!“ des Softcore-Sexfilmers Russ Meyer darunter war und entsprechend kontrovers goutiert wurde, kaum. Die amerikanische Filmkritikerin B. Ruby Rich, die das Revenge-Movie um die letale Tura Satana als Vorläufer von „Basic Instinct“ und „Thelma und Louise“ einstufte, bezweckte wenig mehr als kalkulierte Provokation. Kern der Abschlußdiskussion war die Frage, welches Verhältnis die Filmproduktion von Regisseurinnen zum Mainstream hat – wozu Ginette Vincendeau, die unter anderem für das konkurrierende Frauenfilmfestival in Creteil arbeitet, passenderweise Josianne Balaskos vorgeblich lesbische Klamotte „Eine Frau für zwei“ beitrug.
Im Länderprogramm Israel/Palästina dominierten die Dokumentarfilme – ohnehin ein konzeptueller Schwerpunkt des Festivals. „Hanan Ashravi: A Woman of her Time“ (Mai Masri, Palästina 1995) porträtiert die Politikerin, die konfessionsübergreifend und jenseits politischer Orientierung eine Vorbildfunktion als unabhängige, gebildete und persönlich integre Persönlichkeit hat. Die israelische Dokumentarfilmerin Michal David dagegen zeigt in „Ever shot anyone?“ Militärs bei der Arbeit. Für knapp einen Monat filmte sie Männer eines Grenzbataillons in Nahaufnahme.
Die traditionell gut besuchten Lesbenfilmreihen waren ein Sammelpunkt für Filme, die sich nicht zwischen Stummfilm und Hörspiel entscheiden mögen. Anders „Casting“ von Kathrin Barben, ein schlüssig inszeniertes Machtspiel rund um die berühmte „Besetzungscouch“, oder Laura Nix' „Possession“ über die zärtliche Hingabe an einen samtbezogenen viktorianischen Armsessel. „Shinjuku Boys“ von Kim Longinotto und Jano Williams („Dreams Girls“) mischt Porträts dreier Tokioterinnen, die im „Club Marilyn“ als „bessere Männer“ für weibliche Yuppies bei Small talk und Karaoke den jeweiligen Traummann spielen. Dazu gibt es Einsichten ins Alltagsleben der „Onnabe“. Die Bar, in der Modigliani-Akte stilvoll die Wände zieren, wirkt dabei wie eine Insel im Geschlechterkanon.
Die Aussichten auf eine 9. Feminale sind derzeit schwer einzuschätzen. Trotz entsprechender Zusagen der für Kultur zuständigen Ministerin Ilse Brusis dürften die Rahmenbedingungen des jüngsten Festivals, wo einer der attraktivsten Programmteile, „Krisen- und Kriegsberichterstattung“, kurzfristig als „finanzielle Notbremse“ (Co-Organisatorin Katharina Eichen) abgesagt wurde, für die Zukunft eines Festivals dieser Größe nicht tragbar sein.
Genausowenig wie die aus Sparzwängen in Kauf genommene ehrenamtliche Arbeit – ein fataler Rückschritt in frühe Projekttage. Die Einrichtung eines Filmmarktes und dieses Jahr Programmstaffeln, zusammmengestellt von Unikaten wie Frauenfilmvertrieben à la „Cinenova“ oder „Women make Movies“, weisen dabei den Weg. Die Einrichtung eines Filmpreises wollen die Organisatorinnen ebenfalls nicht ausschließen, um für Debütfilme und Verleihe attraktiver zu werden. Womit sich auch der Eindruck verflüchtigen würde, allzu viele Filme dieses Jahres bereits anderswo gesehen zu haben.
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