: Die ökologischen Grenzen sind überschritten
■ Jahresbericht des Umweltbundesamtes: Stickoxide lassen Wälder weiter sterben
Berlin (taz) – Je mehr die WissenschaftlerInnen des Umweltbundesamtes (UBA) wissen, desto erschreckender sind die Ergebnisse. Gestern stellte das UBA in Berlin seinen Jahresbericht 1995 vor. Danach liegen die Ausgaben für den Umweltschutz in der Bundesrepublik bei gerade mal 1,4 Prozent des Bruttosozialprodukts. Damit würden schon viele Jobs geschaffen (taz 7. 10. 96), noch mehr würden folgen.
Aus so wenig Mitteleinsatz resultiert bislang auch deutlich zuwenig Schutz. Die Umweltbelastung durch die Industrie und unseren Lebensstil liegt weiterhin um ein vielfaches höher als naturverträglich ist. Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) forderte gestern folgerichtig neue „Weichenstellungen in allen Bereichen von Produktion und Konsum“.
Am einfachsten lassen sich die Ergebnisse der Arbeit der 1.000 UBA-Mitarbeiter an der Situation der deutschen Wälder deutlich machen. Filter und neue Technik haben die Luftbelastung in den vergangenen Jahren deutlich vermindert und den gefürchteten sauren Regen minimiert. Aber der Wald erholt sich nicht. Das UBA hat im Rahmen seiner Suche nach den Belastungsgrenzen von Ökosystemen einen der Gründe herausgefunden. Die Belastung der Luft mit Stickoxiden ist in den meisten Regionen deutlich höher, als dies der Wald vertragen kann, in manchen Regionen sogar dreimal so hoch.
Ein anderes Beispiel: Chlororganische Verbindungen sind in den vergangenen Jahren immer stärker in den Verdacht geraten, für ein Ende der Männlichkeit in den Industrieländern zu sorgen. Auch das UBA bestätigt nun, Männer sind heute schon deutlich unfruchtbarer als vor Jahrzehnten. Bei den Wasserschecken in der Nordsee hat der Hormoncocktail schon zu Geschlechtsumwandlungen per Umwelteinfluß geführt.
Die Chemieindustrie wird vom UBA-Bericht nicht nur als größter industrieller Energieverbraucher geoutet. Der BASF-Konzern zum Beispiel sorgt mit seiner Produktion noch für weitere Klimaprobleme. Der Chemiemulti ist der größte deutsche Hersteller von Adipinsäure, die für die Herstellung von Kunstfasern gebraucht wird. Bei der Produktion werden im Jahr einige zigtausend Tonnen Lachgas frei – für das Klima genauso schädlich wie die Kohlendioxid-Emissionen aller Kleinverbraucher in Ostdeutschland.
Der Sparkurs der Regierung schlägt inzwischen deutlich auf die Arbeit des Amtes durch. Während das UBA voller Freude berichten konnte, daß immerhin 324 Standorte deutsche Unternehmen inzwischen per Öko-Audit ihre Umweltauswirkungen überprüfen, wurden die eigenen Forschungsmittel 1995 gleich um ein Drittel gestrichen. Inzwischen kommt die Industrie mangels neuerer Zahlen manchmal sogar zu schlecht weg. ten
Den 500seitigen Bericht kann man kostenlos bestellen: 030-8903-0
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