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Kleine Spielchen um die Steuerreform

■ Die Fronten beim Jahressteuergesetz 1997 sind verhärtet. Jetzt fordert die SPD von der Koalition, die Steuerreform auf 1998 vorzuziehen, um die FDP in die Enge zu treiben. Westerwelle: "Das sind Mätzch

Bonn (taz) – Nach dem „sechs plus sechs Gespräch“ zwischen den Vertretern der Koalitionsparteien und der SPD am Montag abend sind die Fronten beim Jahressteuergesetz 1997 verhärtet. Vertreter aller Parteien beklagten gestern, daß es zu keinerlei Annäherungen bei den entscheidenden Punkten Kindergelderhöhung, Anhebung des Grundfreibetrags und Abschaffung der Vermögenssteuer gekommen sei.

Dafür unterhalten sich die Parteien jetzt mit einem netten kleinen Spielchen, das vor allem die FDP in die Bredouille bringen soll. SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping kündigte gestern einen Antrag an, demzufolge die Bundesregierung aufgefordert wird, die geplante Steuerreform schon am 1. Januar 1998 statt erst 1999 in Kraft zu setzen. Die offizielle Begründung von Scharping lautet: Wenn die große Steuerreform vorgezogen wird, könnten die Streitpunkte beim Jahressteuergesetz 1997 besser mitverhandelt werden. Aufgrund der dann größeren Verhandlungsmasse werde vermutlich mehr Bewegung in die Sache kommen.

Inoffiziell gibt es aber einen anderen Grund. Ein SPD-Abgeordneter sagt mit genüßlichem Unterton: Es sei geradezu Zweck der Geschichte, deutlich zu machen, daß die FDP nicht zu ihrer Ankündigung stehe, die Steuerreform schon 1998 durchzusetzen. „Es wird eine nette Umfallaktion der FDP geben mit allerlei Verdrehungen.“

FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle kritisierte gegenüber der taz, daß es sich lediglich um einen „Schaufensterantrag“ handle, der es nicht wert sei, diskutiert zu werden. „Das ist ein Mätzchen, um die FDP in Verlegenheit zu bringen.“ Wie die FDP schließlich abstimmen werde, müsse sie erst noch beraten. Westerwelle bekräftigte aber, daß die FDP an dem Termin 1998 festhalte. „Ich bin sehr sicher, daß der erste Teil der großen Steuerreform bereits am 1. Januar 1998 in Kraft treten wird.“ Auch die Unionsparteien würden noch einsehen, daß 1999 der strategisch falsche Zeitpunkt sei. Die Opposition bekomme vor der Bundestagswahl im Herbst 1998 nur eine unnötige Gelegenheit, die Belastungen durch die Steuerreform zu suggerieren, ohne daß sich die Bevölkerung vom Gegenteil überzeugen könne. Bestätigt wird Westerwelle durch den finanzpolitischen Sprecher der SPD, Joachim Poß, der vermutet: „Die Bundesregierung will vermeiden, daß sich die Bürger vor der Bundestagswahl ausrechnen können, was nach der Steuerreform für sie übrigbleibt.“

Westerwelle hält es nicht für plausibel, daß die Reform nicht schon schneller in Kraft gesetzt werden kann. Die geistigen Vorarbeiten seien schließlich schon erbracht. Die Konzepte lägen auf dem Tisch. „Jetzt ist es nur noch notwendig, eine politische Entscheidung zu fällen.“

Der stellvertretende CDU- Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Repnik, einer der sechs Vertreter der Koalition bei dem montäglichen Gespräch, beteuerte dagegen, daß eine Vorverlegung auf 1998 undenkbar sei. Die Verhandlungen zum Jahressteuergesetz hätten gezeigt, wie schwierig es sei, einen Kompromiß über das Jahressteuergesetz 1997 zu erzielen. Erst recht werde die SPD daher die Steuerreform verzögern. Markus Franz

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