: Ein Job zwischen zwei Fronten
Es geht um nichts Geringeres als Exklusivität und volle Kassen: Warum Türsteher ihre „Checks“ nicht als Gesichtskontrollen verstanden wissen wollen ■ Von Frank Fölsch
Der Weg endet vor einer rostigen Tür. Zögerlich wird der Klingelknopf gedrückt. Es vergehen bange Sekunden, bis sich die Tür tatsächlich öffnet. Die Abweisung kommt prompt: „Tut mir leid, heute nur mit Clubkarte!“ Ohne den gewünschten Zutritt erhalten zu haben, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich zu trollen. Eine Szene, wie sie oft passiert im Nachtleben, insbesondere bei den angesagteren Clubs.
Die Person, die dabei allen Ärger auf sich vereint, ist der Türsteher. Wer hat noch keine schlechte Erfahrung mit der Einlaßpolitik von Clubs gemacht: Sei es, daß man die falschen Klamotten oder das falsche Gesicht für die Special- Party hatte, oder auch beides. „Zu viele Männer heute abend“ ist eine weitere beliebte Abspeisungsparole vor dem Club der Wahl. Aber auch Frauen beklagen, daß sie manchmal nur für Sekunden durch die Pforte zum ersehnten Partyort blicken dürfen. Wenn andere dann auch noch Zeugen einer Abweisung werden, kommt zum Ärger noch die Peinlichkeit hinzu.
Jan ist so einer, der einem den Abend vermiesen kann. Er arbeitet seit zwei Jahren als Türsteher. Sein Stammhaus ist das Doughnuts in der Rosenthaler Straße in Mitte. Der Club, den es seit fast drei Jahren gibt, ist auch überregional bekannt. Weil die „Location“ sehr beliebt und auch auf dem Stadtplan vieler Touristen eingezeichnet sei, erklärt Jan, komme man an einem Check nicht vorbei. Der Club bliebe deshalb interessant, weil jeder denke, in einen Laden, vor dem eine Traube steht, will jeder rein.
Jan ist 27 Jahre alt und steht auf militärisches Outfit. Seine Bomberjacke, Levi's 501-Jeans, Highlander-Doc-Marten's trägt er sowohl bei der Arbeit als auch privat. Sein Kleidungsstil sei weder provokant noch extremistisch motiviert, sagt er. Für ihn sei es die „ideale Verbindung von Funktionalität und Ästhetik“. Jan sieht sich selbst als „Türsteher mit philosophischen Ambitionen“. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß er Musik- und Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität studiert.
Jan hat oft die Erfahrung gemacht, von abgewiesenen Gästen beschimpft zu werden. Den Interessenskonflikt zwischen Clubgästen und der Tür beschreibt er wie folgt: „Türsteher befinden sich in einem Dilemma. Man steht zwischen zwei Fronten: Auf der einen Seite ist der Chef, der einen fragt, was man wieder für Leute hereingelassen hätte, auf der anderen Seite stehen die Gäste und wollen rein.“
Jan betont, daß er seine Arbeit „sehr ernst“ nehme. „Bei einer Veranstaltung hatte es einmal blaue Einladungskarten gegeben“, erzählt er. „Ein Gast aus München, der mit 'nem fetten Mercedes vorgefahren war, wollte auch rein. Auf die Frage nach der blauen Einladung zog er mit den Worten ,Na klar‘ wie selbstverständlich einen Hunderter aus der Tasche.“ Reingelassen hätte er ihn letztlich jedoch nicht. So liefe das bei ihm nicht, Türstehen sei für ihn eine Ehrensache: „Wenn ich die Tür mache, gehört der Laden mir!“
Er widerspricht der Darstellung, daß es ein „easy job“ sei, an der Tür zu arbeiten: „Das Türauf- und -zumachen ist das wenigste. Als Türsteher ist man zuständig für die Sicherheit des Ladens, man hat Verantwortung für die Atmosphäre des Abends im weitesten Sinne.“ Die „Selektion“ diene dazu, für eine „gleichbleibende Klientel“ zu sorgen. Ein „gutes Zusammenspiel von Tür, DJ und Barkeeper“ garantiere, daß der Laden „Exklusivität“ bekomme.
Obwohl Jan betont, daß Leute, die „eine gute Party haben wollen“, jederzeit willkommen seien, verteidigt er seinen Job im Doughnuts: „Wenn wir hier wirklich jeden hereinließen, dann wäre es bald total langweilig.“ Bei den Kriterien für den Einlaß jedoch scheiden sich die Geister. Es gebe immer noch Clubs, erzählt Jan, die Ausländer generell nicht hereinließen. In den Läden der Techno- Szene sei das aber nicht so, diese seien „eigentlich alle relativ locker“.
Doch auch wer das passende Gesicht oder Outfit vorweisen kann, hat noch längst keinen Fuß in der Tür: „Alkoholisierte Personen kommen nirgends rein, ertappte Kokser fliegen bei uns auch raus und bekommen Hausverbot“, erklärt Jan. Dann gebe es noch Leute, die aus irgendwelchen anderen Gründen Streß machten. Jan erzählt, daß er mittlerweile ein Gespür für Menschen entwickelt habe, die „okay“ seien – „Ein Blick in die Augen reicht aus.“ Das hätte aber nichts mit Gesichtskontrolle zu tun, wie er sagt.
Die Türpolitik hängt auch von der Größe des Ladens ab. Jan meint, daß es sich das E-Werk leisten könne, mehrere nicht unbedingt freundliche Typen an die Tür zu stellen. „Da entsteht ja auch ganz anderer Streß, weil einfach viele Leute da sind“, so seine Begründung. In kleinen Clubs laufe das viel ruhiger ab. Für Jan gilt: Jeder Konflikt muß sich verbal klären lassen. Jan erzählt, daß man vor einigen Jahren begonnen hat, auch Frauen an die Tür zu stellen. „Männer – die mehrheitlichen Streßverursacher, wenn sie nicht reinkommen – haben mehr Respekt vor 'ner Frau.“ Weibliche Präsenz als „Deeskalation“.
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