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„Umfangen im Schoß der Fans“

■ Fußball-Verrückte lesen auf Kampnagel aus einem Buch über Fußball-Verrückte, das sie selbst geschrieben haben

Eine Lesung von Fußball-Texten lockte am Sonnabend zur Sportstudio-Zeit ungefähr 60 ZuhörerInnen in das Kampnagelfoyer 2. Trotz des Booms an Fußballbüchern „war es höchste Zeit, einmal Fans über Fans zu Wort kommen zu lassen“, leitete Wolfgang Frank, Herausgeber von Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, die Veranstaltung ein, auf der er und drei weitere AutorInnen ihre in dem Sammelband erschienenen Aufsätze vortrugen. Die VerfasserInnen, so Frank, seien keine normalen Fans, sondern „Medientäter“, Journalisten, Werbeleute oder Soziologen. Voraussetzung für die Einladung, einen Beitrag zu schreiben, „war aber, dem kleinen, mysteriösen runden Ding absolut verfallen zu sein“.

Verfallen sind Veronika Claßen und Armin Reins, beide in der Werbebranche tätig, sie Gladbach-Fan, er HSV-Anhänger. Tagebuchartig halten sie die Woche vor dem Bundesliga-Duell zwischen den beiden Lieblingsmannschaften fest – Szenen einer Ehe, in der der aufgeschlagene Kicker oder die laufende Ran-Sendung regelmäßig die immergleichen Sticheleien hervorrufen. Zwischendurch feiern die Geplagten Versöhnung mit gemeinsamen Essen oder Spaziergängen. Am entscheidenden Sonnabend unternehmen sie einen Ausflug, um dem albernen Fußballzwist aus dem Weg zu gehen. Zufällig um 17.15 Uhr sind sie jedoch zum Auto zurückgekehrt, einer schaltet scheinbar gedankenlos das Radio ein...

Barbara Figge las ihre Fan-Vita zwar zu schnell, doch beim Nachlesen im Buch wird man erkennen, daß es ein Text ist, der dem Anspruch des Buches gerecht wird: In erzählender Form die Wirklichkeit der Fußballfans rüberzubringen. Witzig und beobachtungsreich beschreibt die Redakteurin des St.-Pauli-Fanzines Unhaltbar! das Verhältnis von Fußball-Frauen und Fußball-Männern.

Wolfgang Franks Text schließlich schildert die Heimreise von Paris nach Dortmund. Auf der Südtribüne des Westfalenstadions angekommen: „Lieblich umfangen dich im Schoße der Fans kollektiver Jubel, kollektive Entrüstung, sowie die Solistenschreie grimmen Aufruhrs“. Sein „Dortmund, ein Wintermärchen“ bemüht zwar Heinrich Heine. Mit Erfolg, was Sprachwitz, Romantisierung und Desillusionierung angeht. Aber über die vermeintlichen oder auch echten „Mysterien des Dortmunder Glaubenskrieges gegen Schalke“ erfährt man herzlich wenig. Sönke Mones

Wolfgang Frank (Hg.): „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, rororo, 10,90 Mark

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