: „Diskriminierung gab es auch an der Front“
■ Stefani Christmann verfaßte ein informatives Buch über Frauen in Eritrea
Warum scheitert auch in Eritrea die Hoffnung der früheren Befreiungskämpferinnen auf Gleichberechtigung in der Zivilgesellschaft? Gründe dafür liefert Stefani Christmanns Buch. Zunächst leistet sie eine informative Bestandsaufnahme zur Situation von Frauen im unabhängigen Eritrea, in der zweiten Hälfte des Buchs läßt sie 17 Kämpferinnen selbst erzählen. Christmanns Situationsbeschreibung ist das Knochengerüst des Buchs, dem die Interviews Leben und Seele einhauchen.
Die Schilderungen der Frauen sind eindringlich. Einige liefen als junge Mädchen aus dem Elternhaus weg, fasziniert vom Kampf der EPLF. Andere – und dies ist hier erstmalig nachzulesen – wurden von der EPLF aus ihren Dörfern gekidnappt, zwangsrekrutiert, ideologisch und militärisch geschult. Eine der Frauen stößt den EPLF-Mythos der Gleichheit frontal um: „Es hat auch an der Front immer Diskriminierung gegeben.“ Die Interviews sind Dokumente von Stolz und Selbstbewußtsein („Wir senken nicht mehr den Blick vor den Männern“), aber auch von Selbstaufgabe und großen Verwundungen.
Im ersten Teil des Buchs verfolgt Christmann systematisch, aber ein wenig trocken die Frage, warum aus dem egalitären Geschlechterverhältnis in der Ausnahmesituation des Kriegs keine zivilgesellschaftliche Normalität wurde. Sie stellt die Frauendiskriminierungen in den christlichen wie muslimischen Ethnien dar und durchkämmt sämtliche gesellschaftlichen Bereiche auf Ein- und Ausschlußmechanismen. Beispiel: Kämpferinnen, die jahrelang kompetent als Barfuß-Ärztinnen gearbeitet haben, können kein Diplom aufweisen, also finden sie keinen Job.
Die Zukunft der Eritreerinnen sieht Christmann „auf dem Boden der Nachkriegsarmut im Kräftefeld zwischen Traditionen und Politik“. Doch ihre Einschätzung der Regierung bleibt ungereimt. Zu Recht kratzt sie am Mythos der EPLF, kritisiert Willkürmaßnahmen der Regierung, „Scheindemokratie“ und Rücksichtnahme auf den (patriarchalen) nationalen Frieden. Doch woher weiß sie am Ende plötzlich, Frauen würden mehr gefördert, wenn mehr Geld da wäre? So irritieren in den oft treffenden Beobachtungen und Analysen einige platte Gewißheiten wie die, daß „das Bevölkerungswachstum jede Hoffnung auf Entwicklung zunichte macht“. Trotzdem: eine lesenswerte, umfassende Bestandsaufnahme. Christa Wichterich
Stefanie Christmann, „Die Freiheit haben wir nicht von den Männern. Frauen in Eritrea“, Horlemann Verlag, Unkel/Rhein, Bad Honnef 1996, 190 Seiten, 24 DM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen