: "Wer dem Plan glaubt, wird selig"
■ Der Kosten- und Zeitplanung für den Tunnel unter dem Reichstag ist nicht zu trauen, kritisiert die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig
taz: Frau Eichstädt-Bohlig, die Baukommission des Bundestages hat den Bau des Tunnelsystems zur unterirdischen Erschließung des Reichstags beschlossen. Sehen Sie noch die Chance für eine „kleine“ Tunnellösung? Und wie würde die aussehen?
Franziska Eichstädt-Bohlig: Klar ist nach der Sitzung: Es gibt kein Zurück mehr. Die letzte Chance, den unsinnigen Tunnel zu stornieren, ist vertan. Dennoch könnte man mit geringen Umplanungen, die keine Zeitverzögerungen mit sich brächten, das Projekt verändern. Eine dezentrale Lösung wäre, daß man am Nordrand der Dorotheenblöcke an das jetzige Logistikzentrum und von da aus an die Wilhelmstraße anschließen könnte. Gleichzeitig wäre mit einer zweispurigen Einfahrt am Alsenblock sowohl der Alsenblock versorgt als auch der Durchstoß zum Reichstag möglich.
Gefährdet der Tunnelbau jetzt den Umzug?
Ob der Umzug gefährdet ist, hängt in erster Linie vom Ältestenrat ab, der endlich den genauen Umzugstermin benennen muß. Wenn der Ältestenrat beschließt, daß der Bundestag im Frühjahr 1999 seine Arbeit in Berlin aufnimmt, ist das abgekoppelt von der Fertigstellung der Dorotheen- und Alsenblöcke sowie der Tunnelbauten. Sollte aber die Bereitschaft zu einem mit Provisorien verbundenen Umzug nicht bestehen, sondern von der Bereitstellung der neuen Gebäude abhängig gemacht werden, wird es problematisch. Denn es ist schon heute klar, daß die Dorotheenblöcke im Frühjahr 2000 und nicht 1999 fertiggestellt sein werden. Zudem traue ich den Tunnelplänen, der Kosten- und Zeitrechnung überhaupt nicht. Schon jetzt wurde der Baubeginn des Tunnels verschoben.
Die Verschiebung ist aber gering?
Statt Januar ist der Baubeginn auf März 1997 terminiert. Behauptet wird, daß das im Bauablauf eingeholt würde und Ende 1999 der Tunnel fertig wäre. Wer das glaubt, wird selig, zumal jeder weiß, wie schwierig die bautechnischen Probleme bei Pfahlgründungen sind. Außerdem ist unklar, wie der Tunnel planungsrechtlich genehmigungsfähig ist.
Die Bundesbaukommission hat Mehrkosten von 3,2 Millionen zugestimmt. Glauben Sie wie SDP- Bauobmann Conradi, daß man die Summe „mittragen kann“?
Ich trage weder die Baukosten von 71,6 Millionen Mark mit noch jede weitere Mark. Ich finde es merkwürdig, daß dieselben Herrschaften bei dem Tagesordnungspunkt Bundestagskindergarten, für den 10 Millionen Mark angesetzt wurden, plötzlich um jeden Pfennig feilschen.
Muß der Haushaltsausschuß die Mehrkosten absegnen?
Das weiß ich nicht. Bis dato ist das Geld in keinem Etat enthalten.
Sie kritisieren auch, daß die Bundesbaugesellschaft (BBB) die Baukommission über die Verlegung der Tunneleingänge um 60 Meter nicht ausreichend informiert hat. Ist die BBB unglaubwürdig?
Ja. In sehr starkem Maße. Über die Umplanung hat uns die BBB nicht informiert. Bei meiner Nachfrage, warum der Tunnel weiter östlich, direkt am Wohnungsbau der Luisenstraße, liege, wurde mir geantwortet, er würde da nicht liegen. Das ist eine bewußte Form der Desinformation. Interview: Rolf Lautenschläger
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