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Reggies Roadshow

Nicht Detlef Schrempf, sondern Reggie Miller bezaubert das Publikum beim NBA-Festival in Berlin  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Als im Juni binnen drei Tagen sämtliche Karten für das Basketball-Match der Indiana Pacers gegen die Seattle SuperSonics in der Deutschlandhalle verkauft wurden, war es äußerst fraglich, ob die attraktivsten Spieler der beiden Teams überhaupt nach Berlin kommen würden. Die Verträge von Reggie Miller und Gary Payton liefen aus, und die halbe NBA riß sich um die Dienste der beiden Goldmedaillengewinner von Atlanta, die nicht gerade billig zu haben waren. Runde 10 Millionen Dollar pro Jahr sollten es schon sein für jeden der zwei begnadeten Korbballer. Aber nachdem Seattle bereits frühzeitig den Kontrakt mit Payton unter Dach und Fach gebracht hatte, einigte sich auch Miller kurz vor Beginn der Europareise mit den Pacers. Sehr zum Vorteil der 10.127 Menschen in der Deutschlandhalle.

„Alle haben schlecht geworfen, außer Reggie“, stellte Detlef Schrempf nach dem 98:95-Sieg der Pacers gegen seine Sonics fest. In der Tat. Reggie Miller war der große Lichtblick beim Aufeinandertreffen zweier NBA-Teams, die sich für Mitfavoriten auf den Titel halten. 37 Punkte, 7 Assists und 4 Rebounds hatte er am Ende gesammelt, einzig Gary Payton konnte mit 24 Punkten und einigen spektakulären Sololäufen etwas dagegensetzen. Enttäuschend verlief der Abend vor allem für Schrempf, der bei seinem ersten Spiel in Deutschland seit elf Jahren sichtlich bemüht war, den Fans eine große Vorstellung zu liefern, den Korb aber praktisch nur von der Freiwurflinie traf. 10 seiner 14 Punkte erzielte er auf diese Weise.

Der Stimmung in der Halle tat die eher mäßige Partie kaum Abbruch. Die Leute waren entschlossen, das erste NBA-Match auf deutschem Boden gebührend zu würdigen. Wenn sich auf dem Platz außer Fouls und Fehlpässen nichts tat, behalfen sich die Berliner halt mit der Ola und warteten, bis Reggie Miller wieder einmal traumwandlerisch aus der Distanz traf oder Gary Payton den Ball auf hintertriebene Weise an den begehrlich ausgestreckten Armen der gegnerischen Riesen vorbei sanft in den Korb gleiten ließ. Sofort bebte die Halle.

Natürlich war es Reggie Miller, der die Partie Sekunden vor Schluß mit einem Dreier entschied, und vor allem seine Wiederverpflichtung erfüllt das Team aus Indianapolis mit großer Hoffnung für die am 1. November beginnende Saison. Über die Frage, ob sein Team wohl in der Lage sei, die Chicago Bulls zu gefährden, kann der Mann mit den Nosferatu- Ohren jedenfalls nur lachen. „Wir sind das einzige Team, das im letzten Jahr zweimal gegen sie gewonnen hat“, sagt Miller voller Stolz.

Das stimmt jedoch nur für die reguläre Saison, denn Seattle hat sogar dreimal gegen Coach Phil Jacksons Superhelden gesiegt, davon zweimal in der Meisterschaftsserie, die am Ende mit 2:4 verloren ging. Auch das Team aus dem Staate Washington hat sich wie Indiana vorwiegend darauf beschränkt, seinen Kader beisammenzuhalten, und den größten Coup mit der Wiederverpflichtung von Payton gelandet. Trainer George Karl ist zuversichtlich, daß die Sonics trotz der starken Konkurrenz im Westen erneut ins Finale einziehen werden. Allein wegen der Erfahrungen, die in der letzten Meisterschaftsserie gesammelt wurden, seien die Sonics heute besser denn je, meint der beleibte Coach, der sich zur Vorsicht schon mal ein Phil-Jackson-Bärtchen stehen läßt.

„Natürlich können wir Champion werden“, sagt auch Gary Payton, der ohnehin noch nie an unterentwickeltem Selbstbewußtsein litt. „Ich glaube nicht an Präsidenten, ich glaube nur an mich“ lautet seine Devise, weshalb er im November auch nicht zur Wahlurne schreiten will. „Ich stimme für keinen von beiden“, erklärt er, „sie berauben uns alle.“ Bei Gary Payton, immerhin, gibt es spätestens seit seinem Vertragsabschluß im Sommer einiges zu holen.

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