: Wie die Alten so die Jungen
■ Bonner Parlamentarier wollen neueste und schönste Kita in Mitte für ihre Zöglinge - ohne Berliner Kinder. Bezirk wehrt sich gegen "Klein-Wandlitz" im Regierungsviertel und bietet freie Plätze in bestehenden Kit
Die Abgeordneten des Bundestages sind besonders fürsorgende Eltern. Schon jetzt machen sie sich ernsthafte Sorgen, was nach dem Umzug 1999 nach Berlin mit ihren Kindern geschieht. Um den Kontakt ihrer Zöglinge zu den einheimischen Kids zu verhindern, wollen die Bonner Beamten eine Kita im Bezirk Mitte ausschließlich für Parlamentskinder. Ausgesucht haben sie sich die Kita „An den Kolonnen“. Sie hat 211 Plätze und ist die neueste und schönste Kita im zukünftigen Regierungsbezirk. Der Bundestag will sie in „leergezogenem Zustand“ mieten oder kaufen. Noch ist sie belegt mit Kindern aus ganz Berlin.
„Die Bevölkerung hat kein Verständnis dafür, daß die Bonner hier ein Klein-Wandlitz für ihre Kids machen, und das auf Kosten unserer Kinder“, erklärte gestern die Jugendstadträtin von Mitte, Eva Mendl (PDS), auf einer Pressekonferenz. Aus Wut über die „arroganten Bonner“ hat der Bezirk die Herausgabe sämtlicher die Kita betreffenden Daten an den Senat verweigert. Nun droht dem Bezirk, daß der Senat die Sache an sich zieht. „Letztlich können sich der Bundestag und der Senat natürlich gegen uns durchsetzen“, weiß auch Eva Mendl.
„Bei uns werden die Kinder schon lange nicht mehr am Fließband getopft. Und wir beschäftigen auch nicht nur Ost-ErzieherInnen. Die Bonner kennen einfach die Berliner Verhältnisse nicht“, kommentierte die Stadträtin die Bonner Allüren. Der Leiter des Jugendhilfeausschusses in Mitte, Klaus Singer, sprach gestern gar von einer „Ghettoisierung der Bonner Kinder“.
Bis vor einigen Wochen plante der Bundestag noch einen 10,2 Millionen Mark teuren Kita-Neubau möglichst nah am zukünftigen Parlamentsgebäude. Als bekannt wurde, daß in Mitte 580 Kitaplätze frei sind und der Bezirk mittelfristig die Schließung von elf Kindertagesstätten plant, mußten die Beamten von dem Plan abrücken. Ihr Bedarf beläuft sich auf 170 Plätze mit „Rund-um-die Uhr-Betreuung“. Bekanntlich tagen die Bonner bis tief in die Nacht. Laut Singer ist aber die Betriebskita in Bonn nur halb voll. „Und wenn die hier eine eigene Kita haben, die dann auch halb leer steht, ist es fraglich, ob die Berliner Kinder einen Rechtsanspruch auf diese freien Plätze hätten.“
Der Bezirk indes versucht, möglichst viele Kitaplätze in Mitte zu retten. „Wir wissen, daß die Bundesregierung für ihre Angestellten den Bau von neun Kitas plant, wir wissen nur nicht wo. Die Bonner planen nur für sich, ohne Abstimmung mit dem Jugendhilfeausschuß in Mitte“, ärgert sich Singer über die Politiker aus Bonn. „Mit Kooperation könnte man in der Sache erhebliche Steuergelder sparen“, gibt er zu bedenken. Ein Kompromißangebot des Bezirks liegt auf dem Tisch: Es sieht die Bereitstellung von frei verfügbaren Platzkontingenten nur für Bonner Kids vor. Allerdings innerhalb bestehender Einrichtungen in Mitte. Tim Köhler
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