: "Ich bin eher ein Anarchist"
■ Ist die Debatte um die Rechtschreibreform ein Kampf um nationale Identität? Ein Gespräch mit Friedrich Denk, dem Initiator der "Frankfurter Erklärung"
Kein Tag mehr ohne neue Verlautbarungen und Anwendungsbeispiele zur Rechtschreibreform. Zuletzt geriet auch der Initiator der „Frankfurter Erklärung“, Friedrich Denk (53), in die Schußlinie. Sind Martin Walser, Günter Grass und Co. einem nationalen Eiferer auf den Leim gegangen? Wir sprachen mit Friedrich Denk aus Weilheim in Oberbayern.
taz: Der Schriftsteller Walter Kempowski vermutete im „Spiegel“, Ihr Engagement gegen die Rechtschreibreform richte sich gegen den Verlust der nationalen Identität im vereinten Europa. Wie national ist Ihre Kampagne?
Friedrich Denk: Das Wort national verstehe ich gewiß nicht im Sinne von nationalistisch. Ich glaube aber, daß durch die Rechtschreibreform das Verhältnis zur Muttersprache gestört wird. Wenn man das Wort „liebhaben“ nicht mehr zusammenschreiben darf, dann gibt es das Wort nicht mehr. Ein anderer Gesichtspunkt interessiert mich auch als Beauftragter des bayerischen Kultusministeriums für Leseförderung. Wir können unseren Kindern in Zukunft ja gar nicht mehr empfehlen, in Bibliotheken zu gehen, denn dort werden sie ständig Schreibungen finden, die ihnen fehlerhaft vorkommen werden.
Sie haben in Interviews mehrfach ihre Freude darüber zum Ausdruck gebracht, daß im Kampf gegen „Tunfisch ohne h“ ideologische „Parteiungen“ unter den Schriftstellern von Grass bis Strauß aufgehoben worden seien. War Ihr missionarisches Ziel die Überwindung von Dichterfehden?
Nein, das hat sich von ganz allein ergeben. Ich habe am 5. Oktober Siegfried Lenz, Günter Grass und Martin Walser erreicht. Alle drei haben sich meinem Aufruf angeschlossen, weil sie sofort erkannt haben, daß dies eine Schreibreform ist, die der Literatur schaden wird. Ein paar Tage später habe ich an einem Tag mit Patrick Süskind, Botho Strauß und Ernst Jünger telefoniert. Ich empfand es in der Tat beglückend, daß Parteiunterschiede keine Rolle gespielt haben. Es sprechen nun einmal alle dieselbe Sprache.
Der Berliner „Tagesspiegel“ deutet in seiner Ausgabe vom 20.10. einen national gefärbten Hintergrund Ihrer Kampagne an. Gibt es einen Zusammenhang mit Ihrem Buch „Die Zensur der Nachgeborenen: Zur regimekritischen Literatur im Dritten Reich“? Es wird Ihnen vorgeworfen, Sie widmeten darin den „Völkischen Beobachter“ zu einem Blatt der Regimekritik um.
Ich werde im „Tagesspiegel“ auf neofaschistisch und militaristisch getrimmt. Jeder, der mich kennt, weiß, daß ich nichts dergleichen bin. Ich bin eher ein Anarchist. Ich habe nichts mit den Nationalsozialisten am Hut. Und der „Völkische Beobachter“ bleibt ganz gewiß eine ganz häßliche Zeitung. Im „Tagesspiegel“ werde ich mit einem Satz zitiert, der nicht von mir stammt. Der mir zugeschriebene Satz: „Von einer geistigen Einkerkerung durch das NS-Regime kann zumindest in den 30er Jahren keine Rede sein“ ist ein Zitat, das ich im Buch verwende.
Sie haben sich seinerzeit in die Affäre um die bayerische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger eingemischt, die man im Vorfeld der Verleihung des Jean-Paul-Preises mit von ihr verfaßten antisemitischen Artikeln im „Völkischen Beobachter“ konfrontiert hatte.
Gertrud Fussenegger habe ich verteidigt, weil sie das wichtigste antirassistische Buch geschrieben hat, das im Dritten Reich erschienen ist, nämlich die „Mohrenlegende“.
Wie erklären Sie sich den Erfolg Ihrer Aktion gegen die Rechtschreibreform?
Dafür gab es drei Voraussetzungen. Zu den von uns organisierten Weilheimer Lesungen waren einige der Autoren und Professoren eingeladen, die sich jetzt der „Frankfurter Erklärung“ angeschlossen haben. Die zweite Voraussetzung sind meine Arbeiten zu Kampagnen. Bereits in meinem Buch „Die verborgenen Nachrichten: Versuch einer Pressekritik“ habe ich untersucht, wie Affären in der Öffentlichkeit hochkochen und welche Wirkungen so etwas hat. Schließlich gab es eine Auseinandersetzung um Gertrud Fussenegger, die ich verteidigen mußte, weil sie auch Preisträgerin in Weilheim gewesen ist. Es war eine ungeheure Faxkampagne eines Werbefachmanns aus Wien, der seine Techniken für den vermeintlichen antifaschistischen Kampf eingesetzt hat.
Ist der Kampf gegen die Rechtschreibreform also eine praktische Übung zu Ihren Kampagnenforschungen? Sie haben Ihre Aktion doch gewiß sorgfältig vorbereitet.
Nein, ich war überhaupt nicht vorbereitet. Vor einem Monat hat mir mein Sohn gesagt, ich soll was machen. Das war ganz spontan. Ich bin, wenn Sie so wollen, ein konservativer Sponti. Interview: Harry Nutt
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