Menschenrechtler vor Gericht

■ Ein prominenter tunesischer Rechtsanwalt soll angeblich zwei Pistolen an illegale Islamisten weitergeleitet haben

Madrid (taz) – Doppelt genäht hält besser, so scheint das Motto der tunesischen Justiz zu lauten, das jetzt der Anwalt Najib Hosni zu spüren bekommt. Der Menschenrechtsaktivist, der bereits im Januar unter dem Vorwurf der „Urkundenfälschung“ zu acht Jahren Haft und sieben Jahren Berufsverbot verurteilt wurde, steht trotz internationaler Proteste seit heute erneut vor Gericht.

Die Anklagepunkte „Waffenbesitz“ und „Terrorismus“ stützen sich auf die Aussage eines anderen Häftlings. Unter Folter beschuldigte dieser Najib Hosni, 1991 und 1992 zwei Pistolen an die verbotene islamistische Partei an-Nahda (Die Wiedergeburt) weitergegeben zu haben. Hosni bestreitet dies. Sein einziger Kontakt zur an-Nahda sei beruflicher Art gewesen.

Ob beim Verfahren gegen führende Islamisten 1992, ob beim Prozeß gegen die Führung der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens im selben Jahr oder bei der Verhandlung gegen den Vorsitzenden der Tunesischen Menschenrechtsliga 1994: Najib Hosni war immer zur Stelle. Im Juni 1994 setzte Tunesiens Präsident Sine Ben Ali dem Treiben ein Ende und lies Hosni verhaften und schwer foltern. In einem perfekt vorbereiteten Verfahren wurde er der „Fälschung des Kaufvertrags eines Grundstücks“ beschuldigt. Habida Resgui, die Frau eines der sechs Verkäufer, behauptete, daß ihr mittlerweile verstorbener Gatte niemals eingewilligt hätte. Seine Unterschrift unter dem Vertrag sei gefälscht. Obwohl vor Gericht alle restlichen Beteiligten dies bestritten, wurde Hosni zu acht Jahren Haft verurteilt. Der Hauptentlastungszeuge, ein Gemeindeangestellter, in dessen Anwesenheit die fragliche Unterschrift getätigt wurde, wanderte wegen „Beihilfe“ für zwei Jahre hinter Gitter.

Seit Ben Ali 1987 an die Macht kam, versucht er jegliche Opposition mundtot zu machen. Amnesty international zählt derzeit über tausend politische Gefangene in Tunesien. In den letzten Monaten fielen eine Reihe namhafter Menschenrechtsaktivisten in die Hände der tunesischen Polizei. Am 10. Mai wurde das Vorstandsmitglied des Arabischen Menschenrechtsinstituts IADH Frei Fenninche verhaftet, als er von einer Konferenz in Frankreich zurückkam. Ein tunesischer Mitarbeiter der Londoner ai-Zentrale wurde im August eine Woche lang festgehalten und verhört, als er seine Familie besuchen wollte. Der Vizepräsident der Tunesischen Menschenrechtsliga Salah Seghedi trat am 8. Oktober den gleichen Weg an. Vier Tage zuvor hatte er an einer Veranstaltung der Internationalen Föderation für Menschenrechte in Paris teilgenommen. Reiner Wandler