: Ist auch Jauch ein Born?
„Ich bin im Grunde noch nie in einem Schneideraum gesessen“, zitierten Agenturen und Zeitungen den Moderator von „Stern TV“ (RTL) Günther Jauch, der diese Woche als Zeuge im Prozeß gegen den TV- Fälscher Michael Born aussagte. Ein Bekenntnis, das nicht nur auf Grund der verwegenen Grammatik aufhorchen ließ. Ist es denn tatsächlich so, daß Moderatoren lediglich vor der Kamera stehen und Texte verlesen? Vielleicht von den Beiträgen genauso überrascht werden wie wir Zuschauer zu Hause? Das kann nicht sein – oder doch??
Jauchs verwirrendes Geständnis war uns Anlaß für eine Umfrage unter seinen Kollegen, denn zumindest die taz-Leser haben Anspruch auf die Wahrheit. Wir fragten die Moderatoren: „Waren Sie schon einmal in einem Schneideraum“ und „Was haben Sie dort gemacht?“
„Themenplanung, Themenentwicklung, Absprache mit Autoren und natürlich die sorgfältige Endabnahme gehören schlicht zum Handwerk. Moderation und Redaktion sind für mich untrennbar verknüpft.“ Olaf Buhl, „Kennzeichen D“, ZDF
„Zum ersten Mal betrat ich einen Schneideraum 1968. Ich half den erwachsenen Redakteuren beim Texten. Und zwar so: ,Wickert, gehen Sie eine Flasche Mariacron kaufen. Wir müssen texten!‘“ Ulrich Wickert, „Tagesthemen“, ARD
„Ein Magazinleiter, der seinen Titel verdient, verbringt einen großen Teil seiner Zeit im Schneideraum. Wer sich nicht intensiv um die Beiträge kümmert, wird zum Ansager.“ Bodo Hauser auch für Ulrich Kienzle (nach Diktat verreist), „Frontal“, ZDF
„Als Moderatorin von ,Stern TV‘ habe ich viel Zeit im Schneideraum verbracht, um Rohmaterial und Filme zu sichten. Jetzt bei ,Focus TV‘ schaue ich mir praktisch den ganzen Sonntag Beiträge an.“ Désirée Bethge, „Focus TV“, Pro 7
„Seit ich beim Fernsehen arbeite, bin ich fast jeden Tag im Schnittraum. Um Material zu sichten und zu schneiden (mit + ohne Cutter).“ Barbara Eligmann, „Explosiv“, RTL
„Ich bin auch noch nie in einem Schneideraum gesessen, in dem Günther Jauch gesessen hat.“ Friedrich Küppersbusch, „Privatfernsehen“, ARD
„Auch Beiträge, die nicht von mir sind, schaue ich mir im Schnitt an. Dort kann man Fragen zum Material klären und über die Beiträge diskutieren.“ Birgit Schrowange, „Life“, RTL
„Ich war 26.432mal in einem Schneideraum. Meist bin ich dort den Cutterinnen auf die Nerven gegangen.“ Wolf von Lojewski, „heute-journal“, ZDF
„Ich habe früher als Autor Stunden, Tage, Nächte in Schneideräumen verbracht. Als Leiter und Moderator von ,Report‘ halte ich mich oft im Schnitt auf, um zu diskutieren und Beiträge abzunehmen.“ Ulrich Craemer, „Report“, ARD
„Bei uns liegen die Schneideräume inmitten der Redaktionsbüros – insofern ist der Schritt in den Schnitt kürzer als in Richtung Klo.“ Ulrich Meyer, „18:30“ und „Akte 96“, Sat.1
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen