: Bremer Topf ist rührig
■ Selbsthilfegruppen und Projekte ziehen 10-Jahres-Bilanz: Es wird schwieriger an Staatsknete zu kommen
„Als mein Mann mit 44 Jahren einen Schlaganfall bekam, waren wir mit dem Problem völlig alleingelassen“, erzählt Irmgard Schwich. Unterstützung fand sie beim Bremer Gesundheitsladen, der die Selbsthilfegruppe „Blitzschlag“ (für Angehörige von Schlaganfall-Betroffenen) organisierte. „Seitdem“, sagt Irmgard Schwich, „hat sich viel getan. Wir können mit Leuten reden, denen es ähnlich geht, das enlastet.“ Das nötige Kleingeld erhält „Blitzschlag“ aus dem „Bremer Topf“, einem Verbund von Selbsthilfegruppen und selbstorganisierten Projekten, der jetzt 10 Jahre alt wird.
Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ haben sich 1986 das Gesundheitsamt, der Gesundheitsladen u.a. zusammengetan, um der Selbsthilfe auf die Sprünge zu helfen. „Mehr Transparenz in der Mittelvergabe“, lautete damals eine der Forderungen. „Ob man an einen Behördentopf rankam, hing von guten Beziehungen zur Behörde ab. Profitiert haben die großen Vereine,“ berichtet Clemens Müller vom Gesundheitsladen. Heute sind über 200 Selbsthilfegruppen im „Bremer Topf“ organisiert. Daneben bieten Selbsthilfeprojekte wie die Arbeitslosenzentren oder der Diabetikerbund verstärkt Dienstleistungen an. Im Gesundheitsamt und im Gesundheitsladen laufen die Fäden zusammen: Wer eine Gruppe sucht oder gründen möchte, wird dort beraten. Einmalig in der Republik war das Bremer Modell lange Zeit deshalb, weil die gut organisierten VertreterInnen des „Bremer Topfs“ an der Mittelvergabe der Behörde beteiligt sind. In „Spitzenzeiten“ erhielt der „Bremer Topf“ 2,4 Millionen Mark aus Wettmitteln. 1996 stehen 1,9 Millionen Mark zur Verfügung. „Jetzt, wo der Bremer Haushalt mit Wettmitteln gestopft wird, befürchten wir noch mehr Kürzungen,“ sagt Müller. Besonders ärgerlich sei, daß die Behörde die Daumenschrauben zur Beantragung und Abrechnung von Fördermitteln angezogen habe. „Die geforderten „haarkleinen“ Kostennachweise übersteigen die Kraft der kleinen Selbsthilfegruppen“, meint auch Hartmut Stulken vom Gesundheitsamt. Irmgard Schwich ist genervt: „Meine Stunden genau nachzuweisen ist total aufwendig. Traut man uns etwa nicht?“ hoff
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