: Senat erhöht sich den Dispokredit
■ Finanzsenatorin verplant 97er Kredite für Ausgaben in diesem Jahr, um die Zahlungsunfähigkeit des Landes abzuwenden. CDU und Bündnis 90/Die Grünen: Fugmann-Heesing hat ihren Haushalt nicht im Griff
Der Senat muß Kredite vorzeitig in Anspruch nehmen, um die Zahlungsunfähigkeit des Landes abzuwenden. Mit dem gestern gefaßten Beschluß will der Senat noch in diesem Jahr und in höherem Umfang auf Kredite zurückgreifen, die erst im Haushalt 1997 eingeplant sind.
Damit solle vermieden werden, „gegen Ende des Jahres zahlungsunfähig zu sein“, erklärte gestern Finanzstaatsekretär Peter Kurth (CDU). Es müsse sichergestellt werden, daß Berlin seinen gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen – für Löhne, Gehälter, Sozialhilfe – nachkommen könne. Dieser Schritt werde notwendig, so Kurth, weil das Haushaltsdefizit von 2,4 Milliarden Mark aus 1995 finanziert und die Steuerausfälle von 1,4 Milliarden Mark ausgeglichen werden müßten. Die Nettoneuverschuldung werde dadurch nicht erhöht, betonte Kurth. Doch wenn der Senat schon in diesem Jahr die Kredite des nächsten Jahres antastet, schmälert dies das Budget für 1997.
Es sei allerdings noch nicht klar, wofür und ob der gewonnene Spielraum in vollem Umfang in Anspruch genommen werden müsse, sagte der Staatsekretär. „Wir wollen im Falle einer ungünstigen Entwicklung auf der sicheren Seite sein“, so Kurth. Gegenwärtig gebe es keine Liquiditätsprobleme.
Im einzelnen will der Senat den Kassenkredit, quasi ein Dispokredit, aus dem die laufenden Ausgaben finanziert werden, von derzeit zehn auf vierzehn Prozent des Haushaltsvolumens für 1997 erhöhen. Damit stiege die Kreditlinie von 4,2 auf 5,9 Milliarden Mark. Beim Vorgriff auf die Kredite soll der Senat statt bisher drei jetzt fünf Prozent vorab ausgeben können. Dies macht 2,1 Milliarden Mark.
Die dafür notwendige Änderung des Haushaltsgesetzes 95/96 soll demnächst dem Parlament vorgelegt werden. Die CDU-Fraktion will dem Antrag „wohl oder übel zustimmen“, wie der parlamentarische Geschäftsführer Volker Liepelt gestern erklärte. Er machte Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) dafür verantwortlich, daß nun Kredite vorzeitig in Anspruch genommen werden müßten. Sie habe ihre Aufgaben nicht erfüllt. Statt 2,7 Milliarden Mark, die sie in diesem Jahr durch Vermögensverkäufe hätte erzielen sollen, seien bislang erst 500 Millionen Mark in die Landeskasse geflossen.
Die bündnisgrüne Haushaltsexpertin Michaele Schreyer warf der Finanzsenatorin vor, „den Haushalt überhaupt nicht im Griff“ zu haben. Es räche sich bitter, daß die Finanzverwaltung vergesssen habe, 400 Millionen Mark Minderausgaben für 1996 auf die Hauptverwaltung und die Bezirke aufzuteilen. In der nächsten Woche will der Senat den mühsam ausgehandelten Haushalt für das nächste Jahr verabschieden. Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen