Blutige Kämpfe um Wasser und Brot

■ Tutsi und ruandische Armee haben die Stadt Goma in Zaire erobert. Alle ausländischen Helfer sind evakuiert worden. Flüchtlinge bringen sich im Streit um die letzten Lebensmittel gegenseitig um

Gisenyi/Goma (AP/AFP/rtr/dpa) – Nach zweitägigen heftigen Kämpfen gegen zairische Truppen haben die aufständischen Tutsi in Ostzaire am Wochenende die Grenzstadt Goma am Nordufer des Kiwusees erobert – offenbar mit tatkräftiger Unterstützung der ruandischen Armee. Die zairischen Soldaten seien aus der Hauptstadt der Provinz Nordkiwu geflohen, teilte ein Militärsprecher in Ruanda am Samstag abend mit. Etwa 130 ausländische Helfer und Journalisten wurden aus Goma nach Ruanda evakuiert.

Mindestens 700.000 Hutu flohen aus der Stadt und den sie umgebenden Flüchtlingslagern. Sie sollen am Nordufer des Kiwusees, etwa 30 Kilometer westlich von Goma, unter katastrophalen Bedingungen auf Hilfe warten. Nach dem Abzug der letzten ausländischen Helfer sind in den Lagern blutige Kämpfe um die letzten Vorräte an Wasser und Nahrung ausgebrochen. Im allgemeinen Chaos brächten Lagerinsassen neuankommende Flüchtlinge mit Buschmessern und Knüppeln um, berichteten gestern zairische Helfer. Außerdem würden Flüchtlinge von zairischen Soldaten überfallen und ausgeraubt.

Binnen 48 Stunden müsse Hilfe zu den Flüchtlingen gelangen, sonst sei alles zu spät, sagte gestern der französische Honorarkonsul in Goma, Patrick Lumes. Er ist einer der wenigen Ausländer, die in der Stadt ausharren. Auch Hilfsorganisationen in Nairobi warnten vor einem Massensterben in der Region, wenn die insgesamt über eine Million Flüchtlinge weiter sich selbst überlassen blieben.

Zairische Soldaten und Tutsi-Rebellen lieferten sich gestern schwere Kämpfe um den Flugplatz von Bukavu am Südufer des Kiwusees. Augenzeugen berichteten ferner, die Rebellen hätten ihre Kontrolle über die Stadt weiter ausgebaut. Sie sollen die Plünderung von Geschäften und Wohnhäusern unterbunden haben, indem sie mehrfach Plünderer erschossen.

Der Vormarsch der Tutsi-Rebellen im Osten Zaires hat in der weit vom Krisengebiet entfernten Hauptstadt Kinshasa Unruhen ausgelöst. Aufgebrachte Jugendliche griffen mit Steinen und Knüppeln die Botschaft Burundis an, dessen Tutsi-Regierung die Rebellen angeblich unterstützt, berichtete gestern der französische Auslandssender RFI. Die Menge plünderte auch Geschäfte und Wohnhäuser von in Kinshasa ansässigen Tutsi. Das Übergangsparlament forderte eine Entfernung aller Tutsi aus öffentlichen Ämtern und Staatsbetrieben.

Zaire und Ruanda weigern sich indessen, an einer Konferenz über den Konflikt teilzunehmen, zu der Kenias Präsident Daniel arap Moi die Staats- und Regierungschefs der Region für Dienstag nach Nairobi eingeladen hatte. Erwartet werden jetzt die Präsidenten von Kenia, Tansania, Uganda, Sambia und Eritrea sowie der äthiopische Ministerpräsident.

Der EU-Sonderbeauftragte Aldo Ajello führte nach Angaben des britischen Rundfunksenders BBC in Kinshasa Gespräche mit zairischen Regierungsvertretern. Er wollte gestern in Kampala mit dem Präsidenten Ugandas, Yoweri Museveni, zusammentreffen, der als eine Schlüsselfigur des regionalen Konflikts gelte. Ajello sagte der BBC, er hoffe, eine militärische Intervention zur Versorgung der Flüchtlinge könne vermieden werden. Debatte Seite 10