■ Kommentar: Üben, üben, üben
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für die Hamburger CDU: Sie wagt das bisher Undenkbare und kritisiert die Polizei. Zwar mögen manche unken, daß man angesichts der Beweislage und der bereits gesprochenen Gerichtsurteile gegen Polizeischläger gar nicht anders konnte. Aber man soll ja das zarte Pflänzchen, aus dem vielleicht einmal der christdemokratische Baum der Erkenntnis werden könnte, nicht gleich zertreten.
Wie ernst die Einsicht in die Fehlbarkeit der Polizei ist und wie weh sie den Konservativen tut, zeigen die ausschweifenden Erklärungsbemühungen. Sie versuchen mit übertrieben dick aufgetragener Entlastung und Entschuldigung für die Polizei die Kritik an ihrem Handeln halb zurückzunehmen: Erst haut die CDU dem Freund und Helfer eine rein, um ihm dann mit einem Riesenlöffel Honig um den Mund zu schmieren. Einen halben Schritt vor und zwei zurück.
Dabei glaubt selbst der mittelmäßig begabte Durchschnitts-CDUler kaum noch an die Logik, daß einem in Bedrängnis geratenen Polizisten nichts anderes übrig bleibt, als sich einen Schwarzen zu greifen und zuzuschlagen. Oder daß die Enge der Wache automatisch zum Einsprühen mutmaßlicher Dealer mit Desinfektionsmitteln führt.
Aber man kann ja nicht das gesamte Weltbild auf einmal revidieren. Auch beim Methadon-Programm und den Fixerräumen hat die Hamburger CDU Zeit gebraucht, um sich von der Verteufelung zur Unterstützung durchzuarbeiten. Der erste vernünftige Gedanke in Sachen Polizei ist jetzt gedacht. Und wenn es bei der Erklärung noch hapert, hilft nur eins: üben, üben, üben.
Silke Mertins
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