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Rückkehr der „Freiwilligen der Freiheit“

Sechzig Jahre nach Beginn des Spanischen Bürgerkrieges treffen sich im kastilischen Hochland Veteranen der Internationalen Brigaden. Die Zeit ist nicht spurlos an ihnen vorübergegangen  ■ Vom Rio Jarama Reiner Wandler

Die schmale, kopfsteingepflasterte Straße macht plötzlich eine Rechtskurve hin zum Fluß. Drei Bögen aus Stahl spannen sich hinüber zum anderen Ufer. Die alte Landstraße Madrid–Valencia liegt verlassen da. Der Verkehr durch das auf beiden Seiten von steilen Felswänden begrenzte Tal, das der Rio Jarama in das kastilische Hochland geschnitten hat, rauscht wenige Meter weiter auf der Autobahn vorbei. Der Lärm ist so unerträglich, daß die Menschen aus dem nahe gelegenen Rivas-Vaciamadrid nicht einmal auf ihren Sonntagsspaziergängen hier herauskommen. So geht das seit den sechziger Jahren, seit dem Bau der Autobahn. Bis man sich in der letzten Woche in Rivas-Vaciamadrid wieder seiner Brücke erinnerte. 370 Überlebenden der einst 60.000 Kämpfer der Internationalen Brigaden des Spanischen Bürgerkrieges kamen für eine Woche nach Madrid zurück, um den sechzigsten Jahrestag des Kriegsbeginns zu begehen.

Die Brücke wurde eigens geputzt, auf einem kleinen Sandplatz an der Auffahrt wurde ein Denkmal errichtet. Die Gemeinde weihte es zu Ehren derer ein, „die von weit her gekommen waren, um unsere Freiheit, unsere Republik gegen die aufständischen Militärs unter General Franco zu verteidigen“. Eine große Granitkugel, überdeckt von einem dreizackigen Stern – dem Symbol der „Freiwilligen der Freiheit“ –, der Mittelpunkt da, wo auf dem Globus Spanien liegt.

Die kleine Stahlbrücke über den Jarama ist eine der Legenden jener Jahre zwischen 1936 und 1939. Sie war der verwundbarste Punkt der Straße hinunter an die Küste nach Valencia und somit nach Katalonien – eine wichtige Lebensader der vom Militäraufstand der Generäle zerstückelten Republik.

„Spanier der Internationalen Brigaden, willkommen in eurer Heimat!“ ruft der Bürgermeister von Rivas-Vaciamadrid, Fausto Fernández, den sichtlich gerührten Veteranen zu. Die Alten, viele von ihnen mit der Mütze ihrer militärischen Einheit von damals geschmückt, feiern Wiedersehen. Einige reisten trotz schwerer Krankheit an. Rotkreuz-Sanitäter schieben sie mit Rollstuhl die alte Landstraße entlang.

Wer sich nicht bereits vor zehn Jahren, beim 50. Jahrestag, traf, hat viel zu erzählen: Flucht nach der Niederlage der Republik nach Frankreich, der nächste Krieg, an einer der unzähligen Fronten gegen Hitlerdeutschland, oder die Jahre in deutschen KZs. Dabei bedienen sie sich meist ihres einst mühsam erlernten gebrochenen Spanischs.

Sind die Lebensläufe ausgetauscht, drehen sich die Gespräche dann um im hohen Alter so normale Dinge wie kleine und große Krankheiten oder das berufliche Fortkommen der Kinder und Enkelkinder.

Viele suchen vergebens nach alten Bekannten. „Von meiner Brigade, der Vierten, scheint niemand hierzusein“, bedauert die Russin Elisabetha Barchina (83). Die kleine weißhaarige Frau hat ihr Kostüm mit Orden geschmückt. „Aus meinen Jahren in der Roten Armee“, erklärt sie nicht ohne Stolz. Dort wandte sie an, was sie in Spanien bei der Feindaufklärung gelernt hatte.

Bei den Worten des Bürgermeisters blüht nicht nur Elisabetha Barchina sichtlich auf. Fernández gehört der kommunistischen „Vereinigten Linken“ (IU) an. Das ist unüberhörbar. Von Gerechtigkeit und Solidarität als geistigem Leitfaden der Gemeindepolitik in Rivas redet er, unentbehrliche Werte auch noch in der heutigen Zeit. Das habe er von den Brigadisten so gelernt.

Während der Rede schweifte sein Blick hinüber ans andere Flußufer, nach Arganda, wo einst die antirepublikanischen Verbände standen. Dort regiert bis heute Spaniens Rechte in ihrer zivilisierten Form der Partido Popular (PP), der Partei von Regierungspräsident José Maria Aznar. Viele der Gemeinderäte blieben demonstrativ der Feier auf der anderen Seite des Flusses fern.

„Ich bin stolz, daß unser Beitrag zur spanischen Geschichte nach sechzig Jahren anerkannt wird“, erklärt der Deutsche Kurt Höfer. Mißtöne wie die von Arganda möchte er dabei gern überhören. Der 82jährige aus Chemnitz hat einst selbst am Jarama gekämpft. Heute ist er Sprecher des deutschen Verbandes der Internationalisten. Seine Brust schmückt die Hans-Beimler-Medaille, die ihm einst in der DDR für seine Mitgliedschaft im Thälmann-Bataillon der 11. Brigade überreicht wurde.

Als die Rede zu Ende ist und die Musik einsetzt – Lieder und Hymnen aus der Zweiten Spanischen Republik –, vermischen sich Gefühle, Erinnerungen und Gegenwart endgültig. „Mädchen, euch hab' ich an der Front immer gehört!“ schüttelt ein amerikanischer Brigadist der kaum 25jährigen Reporterin von BBC London dankbar die Hand.

Als plötzlich eine Fahne des italienischen Bataillons Garibaldi über der Menge weht, will der Applaus schier nicht mehr abreißen. Zwei Veteranen braucht es, um die schwere handgestickte Standarte in den Farben der Republik – Rot, Gelb, Lila – zu stützen. Die Jahre sind hier an niemandem spurlos vorübergegangen.

Der Wind treibt ein Flugblatt über den Boden. „Die Volksfront Spaniens an die Internationalen Freiwilligen“ steht über dem Faksimiledruck eines siebensprachigen Flugblattes vom Herbst 1938. Einmal mehr begleitet der alte Text die Internationalisten „mit unendlicher Dankbarkeit und einem tiefen Gefühl der Brüderlichkeit (...) beim Verlassen unseres Vaterlandes, das immer das ihre sein wird“. Ein französischer Brigadist hüpft zur Musik vor dem Denkmal auf und ab, als wäre er auf einen Schlag wieder 60 Jahre jünger. Er reißt sich das Hemd vom Körper. Zwischen verschiedenen Tätowierungen sticht eine lange bläulich unterlaufene Narbe am linken Schulterblatt hervor.

siehe auch Portrait Seite 11

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