: Banken schweben über der Krise
Während immer mehr Angestellte nach Hause geschickt werden, steigen die Profite der Geldhäuser immens. Kredite bleiben das Kerngeschäft ■ Von Hermannus Pfeiffer
Hamburg (taz) – „Die Ertragslage im deutschen Bankgewerbe war 1995 durchaus günstig“, analysiert die Bundesbank. Der Jahresüberschuß vor Steuern erhöhte sich um 5,5 Milliarden auf gut 38 Milliarden Mark. Und auch im ersten Halbjahr 1996 liefen die Geschäfte so gut wie selten. Zur gleichen Zeit meldete die übrige Wirtschaft einen neuen Pleitenrekord: Fast 29.000 Insolvenzen gab es in diesen sechs Monaten.
Die Profitrate heißt heute bekanntlich „Eigenkapitalrentabilität“. Steigen tut sie trotzdem. Für 100 Mark Einsatz bekommt eine deutsche Bank 12,70 Mark heraus – innerhalb von einem Jahr. Die Deutsche Bank verdiente zuletzt gar 13,70 Mark pro Hunni. Das sind keine „Peanuts“ bei einem Eigenkapital von fast 40 Milliarden D-Mark.
Dabei hat der Devisenhandel „spürbar zum guten Ergebnis beigetragen“, schreibt die Bundesbank. Doch am meisten brachte wieder das klassische Kreditgeschäft. Das Verleihen von Geld gegen Zinsen, die höher sind, als die Zinsen für das geliehene Geld, bleibt Kerngeschäft der Geldindustrie.
Über sämtliche Krisenzyklen hinweg haben sich die Bankgeschäfte auch in den neunziger Jahren steil nach oben entwickelt. Die Geschäftsvolumina explodierten, und die Gewinne stiegen unaufhörlich, rechnet man einmal einige Sonderfaktoren heraus. Nicht einmal die tiefste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik oder die jährlich Zehntausende von Kreditausfällen durch Konkurse konnten der deutschen Finanzwelt etwas anhaben.
Dafür sorgt das exklusive deutsche Universalbanksystem, welches vom Kleinkredit bis zur Einführung der Telekom-Aktie, von der Unternehmensberatung bis zur Hausratversicherung alles erlaubt – und das nicht nur national, sondern auch noch international. Deutsche-Bank-Chef und -Sprecher Hilmar Kopper erklärte den globalen Wettbewerbsvorteil einmal so: „Wenn Enten nicht gehen, verkaufen wir eben Hühner.“
Hilfreich dabei ist sowohl das Steuer- als auch das Bilanzrecht – mittlerweile wahlweise das deutsche, amerikanische oder europäische („IAS“). Sie sichern heimliche Gewinne sowohl vorm Zugriff des Fiskus als auch vor den Aktionären. Immerhin brachte der IAS-Abschluß der Deutschen Bank ein wenig mehr Transparenz. Dahinter steht die Hoffnung auf einen Einstieg auf dem US-Markt sowie eine Kurssteigerung der DB-Aktien. „Die Zeit der Ergebnisglättung ist vorbei“, behauptet Vorstand Krumnow. Zweifel bleiben angebracht.
Trotz allem haben auch die Banken Sorgen. Sie leiden unter der internationalen Konkurrenz, einer relativ übergroßen Zahl an Zweigstellen und ihren Kunden: Der Anteil an „höherverzinslichen“ Spareinlagen stieg auf zwei Drittel, meldet die Bundesbank in ihrem Monatsbericht. Früher lag er bei einem Viertel.
Den kostenintensiven Konkurrenzkampf nimmt die Branche auf – und rationalisiert. 1.400 Arbeitsplätze wurden im Jahr 1995 vernichtet, verharmlost die Bundesbank-Statistik. Hinter der Statistik verbergen sich aber vermehrt Teilzeitjobs, die Auslagerung aus den Tariflöhnen sowie der Megatrend zur Polarisierung: Immer mehr anspruchslosen Standardarbeiten stehen wenige teure Beratungsaufgaben für Großkunden gegenüber. Da die meisten Angestellten nun als überqualifiziert gelten, „muß wahrscheinlich etwa die Hälfte der Mitarbeiter ,ausgetauscht‘ werden“, meldet unsicher die Beratungsagentur McKinsey.
Die Jahresabschlüsse der deutschen Banken würden noch profitträchtiger ausfallen, wären da nicht die gewaltigen Investitionen in Kommunikation und Datenverarbeitung. Allein im vergangenen Jahr lag der bilanzierte Sachaufwand bei über 42 Milliarden Mark (1990: 26 Milliarden Mark).
Die Banken reagieren auf die Konkurrenz mit Konzentration: 100 Institute verschwanden aus der Bundesbankstatistik. Die gewichtigste Konzentrationsmeldung lieferte jedoch der Branchenprimus, die Deutsche Bank: Sie beteiligt sich mit 5,2 Prozent am stimmberechtigten Kapital der Bayerischen Vereinsbank, der viertgrößten Großbank.
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