piwik no script img

Berlin/Detroit Techno Alliance

Die erste Techno-Adresse in der Stadt und zugleich der legendärste Plattenladen bei der Szene, das „Hardwax“, ist ans Paul-Lincke-Ufer umgezogen  ■ Von Tobias Rapp

Raver aus Oranienburg und DJs aus Chicago müssen sich umorientieren. Galt bisher der erste Gang in Berlin immer der Reichenberger Straße in Kreuzberg, heißt seit Montag die erste Adresse in Sachen schwarze Scheiben Paul- Lincke-Ufer 44a. Das Hardwax, der bekannteste Technoplattenladen Europas, mit legendärem Ruf in der ganzen Welt, ist umgezogen. Rund 25.000 Schallplatten mußten verpackt, aus dem alten Laden in das neue Domizil transportiert und einsortiert werden.

Eröffnet wurde der Laden im Dezember 89. „Es gab damals einfach keinen Plattenladen, der Acid und House Music ernst genommen hat“, erzählt Mark, Geschäftsführer des Hardwax. Weil es außerdem nur einen einzigen Vertrieb für elektronische Tanzmusik gab, fanden die begehrten Maxisingles ohnehin nur höchst selten ihren Weg nach Deutschland. Also fing das Hardwax an, auf eigene Faust Platten aus Detroit, Chicago und New York zu importieren. „Wir dachten damals, Berlin sei die absolute Provinz, aber als wir anfingen nach Detroit und Chicago zu fahren, merkten wir, daß es auch dort fast keine Kommunikation zwischen den Szenen gab.“

Die Kontakte dieser Reisen waren es, die den legendären Ruf des Hardwax begründeten. Spätestens als die Berliner Techno-Szene 1992 explodierte, gaben sich die DJ- und Produzentengrößen aus aller Welt in der Reichenberger Straße die Klinke in die Hand. Detroiter Techno-Heroen wie Jeff Mills oder Carl Craig und Chicagoer House-DJs wie Ron Trent kamen über die Hardwax-Connection nach Berlin, produzierten ihre Musik hier und kauften ihre Platten im Laden. Ein deutsch-amerikanischer Austausch begann. Ohne diese „Techno Alliance Detroit–Berlin“, wie ein Plattentitel sie nannte, ist die ganze elektronische Tanzmusik heute kaum vorstellbar.

Den Weg der Kommerzialisierung, den Techno in den letzten Jahren eingeschlagen hat, sehen die Ladenbetreiber aber mit Unbehagen. Im Unterschied zu den meisten anderen Berliner Techno- Aktivisten der ersten Stunde hält das Hardwax nach wie vor die Undergroundfahne hoch. Der stumpfe, fanfarengespickte Groß- Rave-Techno war nie Sache des Ladens. „Natürlich gab es Zeiten, wo von seiten vieler DJs Druck auf uns ausgeübt wurde, vor allem als wir noch der einzige Laden waren, aber wir haben immer versucht, dem zu widerstehen“, stellt Mark rückblickend fest. Der schleichende Zusammenbruch der Rave-Bewegung werde von der Belegschaft eher mit Schadenfreude als Bedauern beobachtet.

So ist es kein Zufall, daß das befreundete kleine, aber feine Techno-Label Basic Channel sein Studio im gleichen Haus hat. Auch dort wird auf die Musik mehr Wert gelegt als auf die Verkaufszahlen. Außerdem können Technoproduzenten dort Dubplates, Einzelplatten, ihrer neuesten Tracks schneiden lassen. Außer über die neuen Nachbarn ist Mark vor allem froh, die beengten Verhältnisse im alten Laden hinter sich gelassen zu haben. Die geplante Sofaecke ist zwar noch nicht eingerichtet. Will ein Kunde an einen der sechs Plattenspieler, muß er jedoch nicht mehr seine Ellbogen benutzen. „Plattenkaufen und Abhängen gehören zusammen, endlich haben wir jetzt genug Platz.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen