: Mißglückte Imagepflege
■ Eine Dokumentation erinnert an die Ermordung des nigerianischen Schrift- stellers und Anti-Shell-Aktivisten Ken Saro-Wiwa vor einem Jahr (20 Uhr, arte)
Zunächst schienen noch Zufriedenheit und Friedfertigkeit im Saale zu herrschen, nachdem ein Kölner Publikum am vergangenen Donnerstag das Porträt des nigerianischen Schriftstellers gesehen hatte, das arte heute – im Rahmen einer Ken-Saro-Wiwa-Woche zum Gedenken an dessen Hinrichtung vor einem Jahr – ausstrahlt.
Der Film erzählt von einem Mann, der als Rechtsanwalt zur Elite seines Landes gehört hatte, nach dem Bürgerkrieg 1971 zunächst Minister und dann durch Immobiliengeschäfte reich wurde; der danach ein angesehener Autor von lebensnaher Literatur wurde, der Märchen schrieb und auch eine Fernsehseifenoper. Und der als inzwischen berühmte und charismatische Persönlichkeit für sein Volk der Ogoni eintrat und gegen den Shell-Konzern kämpfte, welcher das Land bis heute bedenkenlos zerstört und seine Bewohner mit Hilfe der Militärdiktatur umbringen läßt.
Zwar fehlen manchmal, anders als in einem beeindruckenden ITV-Beitrag vom Frühjahr, überzeugende Belege für die Vorwürfe, neue Erkenntnisse und Bilder liefert der Film hier nicht. Dafür konzentriert er sich mehr auf Saro- Wiwa und seine Schlüsselposition in der nigerianischen Opposition, sowie auf die Umstände seiner fadenscheinigen Verurteilung. Der Geschäftsführer von Shell in Nigeria kommt ebenso zu Wort wie der Anwalt und der Sohn von Saro- Wiwa. Dessen Meinung schließen sich die AutorInnen Thomas Giefer und Angelika Burkhard in ihrem Beitrag deutlich an: Das Ausland, das erst reagierte, als die neun Menschen gehenkt waren, hätte die Tat verhindern können.
Man war an jenem Donnerstag jedenfalls bereit für eine Diskussion mit den anwesenden AutorInnen, da gab es eine Wortmeldung: „Sympathisch“ habe er den Film gefunden, gestand dem verdutzten Publikum ein Mann, der sich als Rainer Winzenried vorstellte, Pressesprecher der Deutschen Shell AG, Hamburg; außerdem werde er jetzt auf dem Podium Platz nehmen. Daraus wurde aber nichts. Zuerst meldete sich Peter Emorinken-Donatus zu Wort, ein Mitglied der mitveranstaltenden Ogoni-Oppositionsgruppe Mosop. Wie viele andere Anwesende lehnte er es ab, dem Konzern ein Forum zu bieten, zumal eben jener Herr ihm noch zwei Tage vorher eine Einladung zur Diskussion ausgeschlagen habe. Herr Winzenried begann daraufhin wieder etwas von „sympathischer Film“ zu stammeln, mußte schließlich aber einem „Shell raus“-Chor weichen. Winzenrieds mißglückter Auftritt war zweifellos Teil der Kampagne, die Shell derzeit in Nigeria und Europa betreibt, um ihr angeschlagenes Image zu retten. Der Film, der heimlich und ohne Genehmigung nigerianischer Behörden entstanden ist, deutet an, was darunter zu verstehen ist: Die von Shell vollmundig angekündigten ökologischen und infrastrukturellen Maßnahmen erweisen sich nämlich als reine Kosmetik. Und selbst die wird nicht einmal zu Ende gebracht. Oliver Rahayel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen