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Internet unter Länderaufsicht?

■ Neuer Entwurf für ein Informations- und Kommunikationsdienstegesetz im Bonner Kabinett / Die parlamentarische Beratung ist auf nächstes Jahr verschoben

Die Vorfreude auf ein liberales deutsches Internetgesetz war verfrüht. Der erste Entwurf des sogenannten Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes (IuKDG), den Forschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) im Sommer dem Bonner Kabinett vorgelegt hat, ist bereits revidiert worden (http://www.bmbf.de/rahmen/ iukdg.html): Die Bundesländer wollen auch im Internet mitreden.

In Paragraph 2 („Geltungsbereich“) heißt es jetzt: „Die nachfolgenden Vorschriften gelten für alle Kommunikations- und Informationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt (Teledienste).“ Der tiefere Sinn dieser verbalen Akrobatik erschließt sich nur vor dem Hintergrund des Streites um die medienrechtliche Kompetenz der Bundesländer, der noch im Frühjahr dieses Jahres mit einer salomonischen Entscheidung beigelegt schien. Rüttgers verzichtete auf sein Vorhaben, ein allgemeines Multimediagesetz zu erlassen, und beschränkte seinen ersten Entwurf auf Computernetze im engeren Sinne. Nur für sie sollen keine Zulassungsverfahren eingeführt werden. „Teledienste sind im Rahmen der Gesetze zulassungs- und anmeldefrei“, heißt es denn auch im neuen Entwurf. Interaktives Fernsehen und Teleshopping dagegen sollen der Regelung durch Staatsverträge und Mediengesetze der Bundesländer überlassen werden.

Kritiker warnten von Anfang ein, daß diese Zweiteilung von der technischen Entwicklung bald überrollt werde. Aber auch die Länder gaben sich mit ihrem Anteil an einer mutmaßlich schon bald illusorischen Zuständigkeit nicht zufrieden. Ihnen fiel auf, daß Computernetze wie das Internet ja schon heute nicht nur der individuellen Kommunikation von Einzelpersonen dienen. Websites sind auch Publikationsplattformen für professionelle Medienanbieter, die von Verlagen aus kommerziellen Gründen produziert werden.

Solche redaktionellen Produkte sollen nun ausdrücklich aus dem Geltungsbereich des neuen Gesetzes ausgenommen werden. Unter den (zulassungsfreien) Begriff „Teledienste“ sollen nur „Angebote zur Kommunikation und Information“ fallen, „soweit nicht die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund steht“.

Ausnahmeregeln mit absurden Konsequenzen

Realistischerweise glaubt selbst Jürgen Rütters nicht, daß sein Gesetz in dieser Formulierung bald verabschiedet wird. Mit einer parlamentarischen Beratung sei frühstens im nächsten Sommer zu rechnen, läßt sein Ministerium verlauten. Die Ausnahmeformel für redaktionelle Websites dürfte kaum lösbare Rechtsstreitigkeiten auslösen. Beispielsweise würde die Online-Ausgabe dieser Zeitung der Länderhoheit unterliegen, elektronische Briefe von Lesern und Leserinnen an dieselbe Redaktion aber kämen in den Genuß der bundesrechtlichen Zulassungsfreiheit, jedenfalls solange sie nicht von der Redaktion aus Gründen der öffentlichen Meinungsbildung publiziert werden.

So konfus die Unterscheidung zwischen individuellem und redaktionellem Gebrauch von Onlinemedien ist, so eindeutig setzt der neue Entwurf dem Datenschutz Grenzen. Er formuliert einen ausführlichen Freibrief für Geheimdienste aller Art. In Anlehnung an entsprechende Regelungen des neuen Telekommunikationsgesetzes stellt Artikel 2 in Paragraph 5 fest, daß Anbieter von Telediensten die sogenannten Bestandsdaten ihrer Kunden (Name, Art der Netznutzung und ähnliches) „im Einzelfall auf Ersuchen an die zuständigen Stellen zu übermitteln haben, soweit dies für die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes oder des Zollkriminalamtes erforderlich ist“. Niklaus Hablützel

niklaus@taz.de

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