piwik no script img

Spanien will Kuba-Boykott der EU

Die Regierung in Madrid fordert, daß die Europäische Union jede wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kuba einstellt. Spanien gilt als Sprachrohr Lateinamerikas in der EU  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Als am Dienstag die UN-Vollversammlung in einer Abstimmung erneut das Wirtschaftsembargo gegen Kuba verurteilte, standen die USA zusammen mit Israel und Usbeskistan mit ihrer Neinstimme auf verlorenem Posten. 25 Länder enthielten sich und 137 stimmten dem Antrag zu. Das einzig Neue: Die 15 EU-Mitglieder verurteilten erstmals geschlossen die der Insel von den USA aufgezwungene Wirtschaftsblockade. Verärgert über das US-amerikanische Helms-Burton-Gesetz enthielt sich dieses Mal niemand seiner Stimme. Die Regierung in Havanna müßte zufrieden sein, gäbe es da nicht seit dem Iberoamerikanischen Gipfel am vergangenen Wochenende in Chile einige Unstimmigkeiten mit dem Regierungschef gerade des Landes, das innerhalb Europas immer als Sprachrohr Lateinamerikas gilt – mit dem konservativen Spanier José Maria Aznar. „Ich bin bereit, dir zu helfen und die EU auf deine Seite zu kriegen, falls du Schritte zur Demokratisierung einleitest“, raunte Aznar seinem kubanischen Amtskollegen Fidel Castro zu, als sie beide zufällig beim Mittagessen nebeneinander zu sitzen kamen. Und falls nicht, fand Aznar auf dem einzigen Treffen mit Castro unmißverständliche Worte. „Ich habe nichts gegen Kuba, aber alles gegen dein Regime.“

Aznar, der bereits im Wahlkampf Anfang des Jahres angekündigt hatte, die Kubapolitik seines sozialistischen Vorgängers Felipe González zu überdenken, macht Ernst: Heute wird Spaniens Regierung vor der Lateinamerikagruppe des EU-Ministerrates einen Maßnahmenkatalog vorlegen, mit dem wirtschaftlicher Druck auf Kubas Regierung ausgeübt werden soll, um eine Demokratisierung nach westlichem Muster zu erwirken. Aznar schlägt vor, jedwede wirtschaftliche Zusammenarbeit – sowohl auf staatlicher als auch auf privater Ebene – einzustellen und alle Kredite einzufrieren. Das geht aus Regierungsunterlagen hervor, die bereits vorab der spanischen Tageszeitung El Pais zugespielt wurden. Einzige Ausnahme: die humanitäre Hilfe an regierungsunabhängige Organisationen, falls diese nachweisen können, daß sie wirklich regierungsunabhängig sind.

Zeitgleich sieht der Vorstoß der Spanier vor, daß alle europäischen Botschaften in Havanna einen diplomatischen Sonderbeauftragten als ständigen Kontaktmann zur anticastristischen Opposition abstellen. Kontakte, wie sie die spanische Regierungspartei, die Partido Popular (PP), bereits ausführlich pflegt. Im Oktober gründeten Intellektuelle wie der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa zusammen mit herausragenden Parteipersönlichkeiten – unter ihnen Europaabgeordnete, Diplomaten und Regionalvorsitzende der PP und der exilkubanische Unternehmer und Vorsitzende der in Miami ansässigen Kubanisch- Amerikanischen Nationalstiftung, Jorge Más Canosa – eine Spanisch- Kubanische Gesellschaft in Madrid. Ziel: Bildung einer anticastristischen Lobby in Europa.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen