: Schleswig-Holstein nimmt den ersten Zug
Die rot-grüne Regierung in Kiel will ab 1997 die probeweise Legalisierung von Haschisch durchsetzen. Das seit Jahren umstrittene Modell wird kommende Woche im Landtag diskutiert ■ Von Clemens Heidel
Berlin (taz) – Während die Bayern noch Führerscheine beschlagnahmen und in Baden-Württemberg kiffende Jugendliche von den Schulen fliegen, will das nördlichste Bundesland jetzt die probeweise Legalisierung von weichen Drogen durchsetzen. Fünf Jahre lang soll in schleswig-holsteinischen Apotheken Haschisch verkauft werden. Der seit zwei Jahren heißdiskutierte Modellversuch der rot-grünen Regierung in Kiel soll 1997 beginnen.
Am kommenden Dienstag wird Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD) das Projekt dem Landtag vorstellen. Die Zustimmung des Parlaments ist aber nicht notwendig. Allein das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Nachfolgebehörde des Bundesgesundheitsamtes, kann noch sein Veto einlegen. Da ist Moser allerdings „guter Dinge“, denn das Landesministerium wurde von der Konferenz der Gesundheitsminister 1995 ausdrücklich mit der probeweisen Abgabe beauftragt.
Wirbel gab es am Dienstag im Landtag, als die CDU-Opposition ein Gutachten des SPD-geführten Landwirtschaftsministeriums für den eigenen Anbau von Cannabis in Gewächshäusern vorlegte. Danach müßten in die staatliche Hanfproduktion rund 2,3 Millionen Mark investiert werden. Eine knappe Millionen für Gärtner, Chemiker und Hilfskräfte; 420.000 Mark für Gewächshäuser und 900.000 Mark für eine 2.000 Quadratmeter große Halle. Ministerin Heide Moser bestritt inzwischen aber die Aussage eines Mitarbeiters, daß Schleswig-Holstein tatsächlich unter die Marihuanaproduzenten gehen will: „Das Land wird nicht selber anbauen.“ Es müsse jedoch erlaubt sein, so Moser, „alle Lösungen für die legale Beschaffung von Cannabisprodukten im Rahmen des Modellversuches in Betracht zu ziehen“.
Zur Zeit prüft die Koalition drei Möglichkeiten: erstens den privaten Anbau im eigenen Land, wobei Moser ausdrücklich betonte, daß der Staat nicht als Auftraggeber auftreten solle; zweitens den Ankauf aus Ländern, in denen der THC-haltige Hanf legal angebaut werden darf. Das wäre ausgerechnet in den Vereinigten Staaten, bei den härtesten Gegnern einer Legalisierung, möglich. Die dritte Variante grenzt an staatlich organisierten Diebstahl: der Verkauf von in den letzten Jahren beschlagnahmtem Haschisch aus den Asservatenkammern der Polizei. Das müßte allerdings zuvor auf seine Reinheit überprüft werden.
Den Angriffen der CDU-Fraktion begegnete Moser mit mehreren medizinischen Studien: Es sei wissenschaftlich eindeutig erwiesen, „daß Cannabis in der stofflichen Gefährlichkeit eindeutig hinter Alkohol liegt“. Für zehn Mark pro Gramm soll das Haschisch zum erstenmal seit Anfang der 40er Jahre wieder legal in Deutschland verkauft werden. Der Versuch werde wissenschaflich begleitet, so das Ministerium. Für den Raucher bedeutet das Kontrolle: Die Apotheken müßten die gekauften Mengen in einen persönlichen Konsumentenausweis eintragen.
Einzig die Grünen verteidigten die Idee der Haschischproduktion im Staatsbetrieb. Der drogenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Matthias Böttcher, hält den Plan für die beste Lösung: „Oder soll Ministerin Moser nach Marokko fliegen und Schmugglerin werden?“
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