Durchs Dröhnland: Vielen Dank an Sugar, den Hund
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Aus der traditionell mächtigen Hardcore-Szene von Washington D.C. kommen Battery und Damnation a.d., die allerdings mit ihren Vorgaben wesentlich hausbackener umgehen als Fugazi und andere Dischord-Helden. Battery durchbrechen die Hermetik des Genres nur selten. Aber wenn der Geschwindigkeitsrausch abebbt, in diesen kurzen Augenblicken der Erschlaffung, wenn die Energie für den Bruchteil einer Sekunde zu verharren scheint, bevor sie sich auf ein Neues entlädt, dann sind Battery plötzlich ziemlich großartig. In seinen Texten geht Battery-Vorsitzender Ken Olden den kleinen Schritt von der alltäglichen morgendlichen Verzweiflung zur Weltrevolution. Wenn einem das Abendessen wieder aus dem Gesicht fällt, sollte man daraus die Kraft zum Engagement ziehen: „Angry, I was so angry.“ Entfremdung schreit diese Musik.
Ein wenig privater bleiben da Damnation a.d., für die vor allem zählt, was sich in den tiefsten Eingeweiden der Seele so abspielt. Die Sonne mag scheinen, aber das Individuum wird immer wieder in einen neuen Tag voller Schatten hineingeweckt. Ihre Depressionen setzen sie mit schwer dümpelnden Gitarren um, die viel vom Doom-Metal gelernt haben. Manchmal überschreiten sie die Grenzen zum Industrial, aber nur solange, bis es wieder ein extra dunkles Seeleneckchen zu entdecken gilt. Der Rest ist Schweiß.
15. 11., 21 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157
Als Crossover noch das tolle Ding von morgen war, waren Fishbone der heißeste Stoff unter Gottes beißender Sonne. Aber reich und berühmt sind dann die Red Hot Chili Peppers geworden. Das lag zum einen wohl daran, daß Fishbone die falsche Hautfarbe hatten und schwarze Bands sich in den Grauzonen des Hardcore nur schwer durchsetzen. Wichtiger aber war ihre Musik, und die ist auch heute noch ein wildes, ungezügeltes Toben. Alle Rhythmen, alle Stile, keine Regeln, alles scheint möglich, wenn Fishbone es spielen. Tanzen kann man dazu nicht unbedingt, sich nicht einmal darauf verlassen, daß der Kopf die Rhythmuswechsel schnell genug mitmachen würde. „Wir haben ein wenig Ska, ein wenig Rock Steady, ein wenig Rock 'n' Roll, ein wenig Funk“, sagt Oberfishbone Angelo Moore über die erste Platte seit drei Jahren und weiß selbst, die Liste ist nicht zu vervollständigen. Die einzige Neuerung ist eine Verkürzung. Diesmal haben sie auf die Elektronik verzichtet und stützen sich ganz auf eine normale Rockbesetzung. Auch egal, der Groove war noch nie ihre Tasse Tee, aber schön knallen tut es allemal. Auch bei den Themen hat sich nicht viel getan: Die Geißeln der Menschheit, ob Alkohol, Plattenindustrie oder Politiker, kriegen ihr fuck- gewürztes Fett weg und manchmal springen dabei so hübsche Bonmots raus wie: „Deep in the toilet/ Doo Deep Doo“.
Mit Novak Seen, 16. 11., 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190
Daß Down under manchmal nicht alle Schrauben richtig sitzen, beweisen einmal mehr Blowheart. Die spielen Punkrock mit den klassischen Anflügen in den Ska, brauchen dazu aber gleich zehn Leute. Denn, und das ist der Gimmick an der Sache, sie haben einen vollständigen Bläsersatz dabei. Das fügt dem Genre zwar kaum mehr als einen neuen Witz hinzu, ist aber auf der Bühne natürlich ein Schweißtreiben sondergleichen.
17. 11., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Huey ist Rapper und hat einen Hund. Der heißt Sugar und steht an erster Stelle der Dankesliste von „Come Find Yourself“, der ersten Platte des Trios seines Herrchens. Auch ansonsten sind die Fun Lovin' Criminals kein durchschnittlicher HipHop-Act. So lebten die vier (inklusive Sugar) zusammen und stellten fest, daß das nicht so gut ging – bevor sie begannen, zusammen Musik zu machen (diesmal ohne Sugar). Das funktionierte umso besser und so sind die drei abgerissenen Bleichgesichter nun das heißeste Ding, das New York momentan zu bieten hat. Und Sugar bekommt nur noch edles Futter. Auch nicht gerade klassisch sind ihre musikalischen Vorlieben: Trommler Steve hält Steely Dans „Aja“ für die beste Platte seiner Sammlung, für ihr Debut haben sie Lynyrd Skynyrd und Richard Strauss gesamplet. Aber mit dem Sampling haben sie sich jetzt zurückgehalten und statt dessen lieber selbst gespielt, wo die Rechte nicht zu klären waren. So schlagen die Fun Lovin' Criminals die Brücke zwischen der reduzierten Eleganz von Rap zur gemütlichen Wärme des Funk und zur schroffen Gemütlichkeit des Rock, als wäre es gar nichts. „Come Find Yourself“ ist schlicht das Coolste, was du momentan in den CD-Player stecken kannst. Da tut es keinen Abbruch, daß auch hier der unvermeidliche Quentin Tarantino seine Finger im Spiel und zusammen mit den Criminals einen Song geschrieben hat. Brüder im Geiste sind sie sowieso, denn ganz so wie in Tarantinos Filmen lauert unter der perfekt durchgestylten Fassade ein Abgrund an Ironie, Anspielungen und manchmal vielleicht etwas flauen Gags, was einem mit durchschnittlichen Englisch-Kenntnissen aber leider größtenteils verborgen bleibt.
18. 11., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz
Laßt uns die Zeitmaschine ausmotten und eine kleine Reise unternehmen. The Keytones haben noch nichts von Sampling gehört, tatsächlich wissen sie noch nicht einmal, daß man den Sound einer Gitarre verzerren kann. Dafür haben sie eine Menge Krawatten im Schrank. Das britische Trio spielt nicht mal richtigen Rockabilly, also jene Variante der Fifties, die sich als einzige außerhalb von Oldies-Shows in öffentlich-rechtlichen dritten Programmen gehalten hat. Statt dessen sitzen ihre Tollen so perfekt pomadisiert wie ihre Melange aus Doo Woop und allerfrühestem Rock 'n' Roll.
Zuerst kommt Wohlklang, dann erst der Pelvis in den Hüften. Das klingt zwar manchmal etwas lendenlahm, aber entwickelt im Zeitalter von Easy-listening und allgemeiner Retroseligkeit natürlich seinen unmißverständlichen Reiz. Mehr als eine überaus unterhaltsame Geschichtslektion sollte man allerdings nicht erwarten.
19. 11., 21 Uhr, Huxleys Jr. Cantina, Hasenheide 108 Thomas Winkler
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