: „Die älteren Menschen essen sowieso alles“
■ Einzelhändler machen unterschiedliche Erfahrungen mit ihren Kunden: Sorgen im Naturkostladen um Ersatzprodukte, Gelassenheit beim Kiez-Händler
Rizkalla Yazirlioglu ist Inhaber eines kleinen Schöneberger Kiez- Edeka-Ladens. Neben den üblichen Lebensmitteln vertreibt er türkischen Schafskäse und Oliven sowie Obst und Gemüse von türkischen Großmärkten. Seine Klientel sind die Kiezbewohner von nebenan, Leute jedes Alters, jeder Schicht und jedes ökologischen Bewußtseins. „Bislang hat mich noch keiner meiner Kunden auf dieses Gen-Soja angesprochen“, sagt der 40jährige Kaufmann. „Doch das wird bestimmt noch kommen. Meine Kunden sind eigentlich sehr kritisch. Zumindest die Jungen. Die älteren Menschen essen sowieso alles und fragen auch nie nach.“ Kritisch seien die Kunden vor allem in bezug auf das Gemüse, das immer frisch und aromatisch sein soll. „Diese Hollandtomaten brauche ich gar nicht erst zu kaufen“, weiß Yazirlioglu, „die will hier kein Mensch.“
Doch daß sich die aufgebrachte Stimmung um genmanipulierte Lebensmittel längerfristig auf das Kaufverhalten seiner Kunden auswirken wird, hält er für unwahrscheinlich. „Es wird sich ähnlich verhalten wie mit all den anderen Lebensmittelskandalen“, meint der Ladeninhaber. „Als es hieß, da sei etwas mit dem Dosenfisch, hat keiner mehr Dosenfisch gekauft. Ungefähr sechs bis sieben Wochen lang. So ähnlich war das mit Rinderwurst. Es gibt immer Leute, die so etwas kaufen, und bei den anderen legt sich die Hysterie auch wieder.“ Vom Großhändler Edeka, vor dem er einen Großteil seiner Waren bezieht, wartet Yazirlioglu schon seit längerem auf eine Stellungnahme. Der Lebensmittelhändler schmunzelt: „Das kann noch dauern. Edeka hinkt bei so was ja immer hinterher.“
Jose Galan ist Inhaber eines Schöneberger Naturkostladens und steht den Bedenken seiner Kundschaft deutlich weniger gelassen gegenüber. „Wenn ich alle Soja-Produkte aus dem Laden nehmen wollte, bleibt nichts mehr übrig.“ Viele Kunden haben ihn schon angesprochen, mit ihm über das Thema diskutiert und gefragt, wie sie sich schützen können. „Wenn die Leute schon in meinen Laden kommen und für die Lebensmittel mehr Geld ausgeben, dann erwarten sie natürlich auch, daß alles in Ordnung ist.“ Galan fühlt sich machtlos: „Selbst bei Aids kann man sich schützen, hierbei nicht!“ Zur Zeit sitzt er auf heißen Kohlen und wartet auf eine Stellungnahme seiner Großhändler Kormoran & Terra und Koch& Egner. Die Sojabohnen, die bislang in seinem Regal stehen, kommen selbstverständlich aus den USA. Wenn die Großhändler künftig aus anderen Quellen beziehen, will er natürlich wissen, woher.
Längerfristig kann sich der 38jährige Ökoverkäufer jedoch auch vorstellen, daß Soja-Ersatzprodukte entwickelt werden können. „Doch das wird wahrscheinlich alles teurer.“ Die Kunden seien zumindest sensibilisiert, und solange keine Trennung und Kennzeichnung von genmanipulierter Soja erfolge, werde die Nachfrage nach Soja-Produkten längerfristig sinken, prognostiziert Galan. Die Produktion garantiert unveränderter Lebensmittel – vielleicht sei das ja eine Herausforderung an die GUS-Staaten, hofft der Ladeninhaber. Kirsten Niemann
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