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Artenschutz im Freizeitpark

UN-Konferenz debattiert in Buenos Aires die Gewinne, die Konzerne aus dem Artenreichtum machen. Umverteilt werden sie nicht  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Die Reden wurden in regelmäßigen Abständen von Flugzeugen gestört. Der Tagungsort der UNO- Konferenz über Artenvielfalt lag weit ab von der Innenstadt an einem Flughafen. Eigentlich ist das Tagungsgelände Parque Norte auch ein Freizeitpark. Aber kaum ein Bus fährt aus der Innenstadt dort hin.

Die knapp 1.500 Delegierten aus über 100 Ländern hatten sich in Buenos Aires zum dritten Treffen der Staaten versammelt, die 1992 in Rio die Biodiversitätskonvention unterzeichneten. Das Abkommen von Rio räumt den Ländern des Südens das Recht ein, ihren genetischen Reichtum an Pflanzen zu kontrollieren. Sie sollen davon auch finanziell profitieren können. Doch bisher sind es multinationale Lebensmittel- und Pharmakonzerne, die Profite in Milliardenhöhe einstreichen. Von kleinen Pflanzen, die von Natur her resistent gegen bestimmte Krankheiten sind, bis zu menschlichen Zellen patentieren die Multis alles, was Profit verspricht. Die Menschen in den Herkunftsländern müssen anschließend für die frisch patentierte Arznei teuer bezahlen. Es wird geschätzt, daß Pharmaunternehmen mit Medikamenten, die aus Wildpflanzen hergestellt werden, jährlich etwa 40 Milliarden US-Dollar Umsatz erzielen.

So setzen beispielsweise deutsche und französische Pharmalabore rund 100 Millionen Dollar jährlich um mit einem Medikament, das bei der Leukämiebehandlung von Kindern eingesetzt wird. Das Medikament basiert auf den Wirkstoffen einer Pflanze, die nur auf der Insel Madagaskar vorkommt. Wollten Ärzte aus Madagaskar dieses Medikament einsetzen, müßten sie dafür bezahlen, weil europäischen Konzerne sich die Patente gesichert haben.

Afrikanische Heilpflanzen füllen die Kassen

Daher forderte Ernesto Ladron de Guevara, Delegierter der internationalen Kleinbauernorganisation, ViaCampesina, auf der Konferenz, das intellektuelle Eigentum und die Patentvergabe für jede Form von Leben strikt abzulehnen. Auch könne sich niemand das Wissen, wozu ein Organismus zu gebrauchen sei, patentieren lassen. „Wir wollen unsere Regierungen warnen, daß die Monopolisierung des Wissens durch einige wenige multinationale Konzerne die Zukunft der Menschheit bedrohen“, sagte er in Buenos Aires.

Gegen Patente von Konzernen wehren sich auch die in Buenos Aires versammelten Repräsentanten indigener Völker, die zu den 350 regierungsunabhängigen Organisationen gehören, die bei der Konferenz Beobachterstatus hatten.

Beobachten ist nicht gleich Mitreden, und die Ureinwohner bleiben auf den Zuschauertribünen sitzen. Nach Ansicht von Gonzalo Oviedo vom World Wild Fund for Nature (WWF) liegt das an der Blockadehaltung der USA und Frankreichs. Die beiden Länder wollten jeden Einfluß der Ureinwohner auf den Inhalt der Abschlußdokumente verhindern.

Die US-Regierung spielt in Buenos Aires eine besonders unrühmliche Rolle. Zwar haben die USA den Text die Konvention nicht einmal ratifiziert, dürfen deswegen nicht abstimmen – „aber sie nutzen ihren Einfluß, damit keine Fortschritte, wie die Anerkennung der Rechte der Ureinwohner, erzielt werden“, beschwert sich Oviedo. Die Vertreter der Europäischen Union (EU) waren mit dem Verlauf der Konferenz in Buenos Aires zufrieden. Das Treffen sei „erfolgreich“ gewesen und würde „einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Umsetztung der Biodiversitätskonvention darstellen“, freute sich der irische Umweltminister Brendan Howlin für die EU.

Die Vertreter der Gruppe 77 der Entwicklungsländer teilten diese Auffassung nicht. „Die Industrieländer verhindern die Umsetzung der Konvention, und gleichzeitig gestatten sie es den Entwicklungsländern nicht, ihre Verpflichtungen zu erfüllen“, kritisierte der Umweltminister von Costa Rica, Rene Castro im Namen der G 77 und China. Die von den Dritte- Welt-Ländern nach dem Gipfel von Rio erhoffte Partnerschaft existiere nicht wirklich. Auch könne das Geld, das die Industrienationen bisher zur Verwirklichung der Rio-Konvention bereitgestellt hätten, „am besten als ein Rinnsal beschrieben werden“.

Konkrete Beschlüsse wurden in Buenos Aires nicht gefaßt. Mit der nächsten Konferenz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava soll sich das ändern. Ab 1998 sollen die Regierungen wenigstens über ihre Anstrengungen berichten müssen. Der Biodiversitätskonvention läuft die Zeit davon.

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