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Aus Soldaten der Wehrmacht wurden Partisanen

■ ISTORECO, ein Institut zur Erforschung vergessener und verdrängter Schicksale von desertierten deutschen Soldaten in Italien, kämpft für deren Rehabilitierung

„Wenn wir dokumentieren, daß es viele Menschen gegeben hat, die Widerstand geleistet, die ihr Leben dabei riskiert haben, dann haben die anderen keine Entschuldigung mehr dafür, daß sie nichts getan haben.“ Matthias Durchfeld, Mitarbeiter von ISTORECO, dem Institut für die Geschichte der Resistenza im italienischen Landkreis Reggio Emilia, gehört zu den Unentwegten, die sich der Erforschung und Rehabilitierung von Deserteuren aus der deutschen Wehrmacht in Italien widmen. Jener Männer, die mit ihren Familien noch heute darunter leiden müssen, daß sie seinerzeit nicht mehr mitkämpfen wollten. Denen etwa die Haftzeit lange nicht auf die Pension angerechnet wurde.

Erst im vergangenen Jahr hat sich daran etwas geändert. Die Haftzeit, die die Deserteure absitzen mußten, wird nun aufgrund einer Initiative von Bundessozialminister Norbert Blüm (CDU) immerhin in Wehrzeit umgewandelt. Dennoch: „Die Geschichte der Diskriminierungen setzt sich fort“, sagt Durchfeld, „und zeigt, wie weit wir von einer moralischen Rehabilitierung der Deserteure noch immer entfernt sind.“

Im September 1996 fand in Albinea bei Reggio Emilia wieder die Geschichtswerkstatt des ISTORECO statt. Das Institut veranstaltet seit 1993 alljährlich ihr Reiseprojekt „Bella ciao – Auf den Spuren der Resistenza“, in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk Friedensarbeit in Bielefeld. Wer sich für Faschismus und Resistenza interessiert, kann bei einer solchen Reise an Diskussionen und Treffen mit Menschen teilnehmen, die in jenen Kriegstagen dabei waren, und Wanderungen auf den Wegen unternehmen, die seinerzeit den Partisanen dienten.

1996 kamen italienische und deutsche Historiker sowie ZeitzeugInnen zusammen, um über die Militärjustiz während des Zweiten Weltkriegs zu diskutieren. Am zweiten Tag wurde fünf deutscher Deserteure gedacht, die im August 1944 in Albinea hingerichtet worden waren. Der Fall dieser fünf deutschen Soldaten zeigt, wie wichtig die Arbeit von ISTORECO ist. Der Grund für die Hinrichtungen war 50 Jahre lang unbekannt geblieben. Während der Tagung meldete sich, veranlaßt durch einen Artikel über ISTORECO, ein früherer Partisan, um zu erzählen, was damals tatsächlich geschehen war.

In Albinea war eines der wichtigsten Hauptquartiere der Deutschen in Italien, mit hochrangiger Besetzung und direkter Telefonverbindung zu Hitler. Die fünf Deserteure waren genaugenommen Unterstützer der Partisanen gewesen und hatten gemeinsam mit diesen einen Plan ausgearbeitet, um das Kommando ohne Blutvergießen zu übernehmen.

Doch wenige Minuten vor der Aktion gab es einen Fliegerangriff, die Nacht war taghell erleuchtet. Die Deutschen sahen, was sich abspielte. Die Partisanen konnten rechtzeitig fliehen, ihre Mitstreiter jedoch wurden erkannt und am Tag danach hingerichtet.

Laut Matthias Durchfeld ist das Schicksal dieser fünf Soldaten kein Einzelfall, wenngleich im ganzen nur wenige Soldaten Widerstand geleistet hätten. ISTORECO will deutlich machen, daß dennoch zahlreiche Menschen gegen das Morden gearbeitet haben. Allein in Reggio Emilia gab es an die 50 deutsche Soldaten, die als Unterstützer der Partisanen ihr Leben riskiert haben. Diese Menschen wurden später weder in Deutschland noch in Italien rehabilitiert. Jan Henrik von Dallwitz

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