: Allein unter Prolls
■ Die Harfouch und die Thalbach als Eckkneipenschlampen in "Gefährliche Freundinnen" (20.15 Uhr, ARD)
Bibi trägt rassige Perücken, Hanna eine Brille. Bibi ist Packerin in einer Spedition, Hanna ist dort Sekretärin. Bibi ist jung, Hanna Anfang 40. Bibi will guten Sex und geht gern zu Boxkämpfen, und Hanna geht mit. Denn Bibi und Hanna sind Freundinnen. Und sie sind das, was der Volksmund „Proleten“ nennt und Regisseurin Huntgeburth „sogenannte einfache Leute“; die Art von Leuten, die fade Sozialwohnungen und Eckkneipen bevölkern.
Stoff genug also für eine weitere junge deutsche Komödie, und genau so beginnt und endet die Geschichte von Bibi und Hanna denn auch: Zuerst haben sie so ihre Problemchen mit dem Chef, den Kollegen und den Männern an sich, und zuletzt haben sie eine pfiffige Idee fürs Happy-End. Zwar ersticht Hanna zwischenzeitlich den Fernfahrer Franzl, und Bibi erschießt ihren Ex-Gatten, doch waren die beiden ohnedies echte Arschlöcher.
Streckenweise sieht Huntgeburths Spielfilm „Gefährliche Freundinnen“ einer Folge von „Auf Achse“ zum Verwechseln ähnlich, bekommt aber mit einem Schuß „Thelma und Louise“ doch die nötige Relevanz für eine Ausstrahlung in der ARD-Reihe „Wilde Herzen“. Immer wieder entdeckt man hinter der Storyline von Drehbuchautor Lothar Kurzawa das Reißbrett, auf dem sie entstanden ist.
Aber Bibi und Hanna sind nicht nur irgendwelche Eckkneipenschlampen. Zugleich sind sie auch Corinna Harfouch und Katharina Thalbach, also nicht unbedingt das, was man sich gemeinhin unter Dutzendmenschen so vorstellt. Und dementsprechend schwer haben sie es dann auch mit ihren Proll-Rollen. Vielleicht hätte der ansonsten vorzüglich ausgestattete Film die Thalbach zum Hertie-Friseur schicken und der Harfouch eine echte Vokuhila (vorne kurz, hinten lang) verpassen sollen, und sie wären durchgängig überzeugend gewesen und nicht nur in der ein oder anderen Szene.
Diese Szenen aber haben es in sich. Wenn sich nämlich die heitere Exposition langsam verabschiedet, ist auch im Film erst einmal Schluß mit lustig: nach 12 Kölsch, 8 Sekt, 8 Cuba Libre, 6 Weinbrand und 2 Sambuca gabeln Bibi und Hanna zwei Fernfahrer (2 Sambuca, 4 Sekt, 8 Cognak, 16 Kölsch und 12 Obstler) auf und nehmen sie mit in Bibis Wohnung. Was sich dort abspielt, ist, ebenso wie die sich anschließende Gerichtsszene, an sich völlig unspektakulär. Aber das Gewöhnliche der Szenerie wird als gnadenlos deprimierender Hyperrealismus inszeniert: Bibi legt „S.O.S.“ von ABBA auf, und die vier tanzen, saufen, streiten, knutschen. Und wenn wir eigentlich längst genug gesehen haben vom Alltagselend, dann läßt die Regisseurin die ABBA-Platte einfach weiterlaufen, und zu den zarten Klängen von „Chiquitita“ füllt Fernfahrer Franzls feiste Visage den Bildschirm. Zwischen seinen behaarten Schenkeln sehen wir am Bildschirmrand Hannas Hinterkopf, derweil der Brummifahrer darauf wartet, daß sein Kollege im Nebenzimmer mit Bibi fertig und er selbst sich endlich über die bereits Eingeschlafene hermachen kann...
Wenige Minuten später kommt es in den „Gefährlichen Freundinnen“ dann zur Gerichtsszene, der Gerichtsszene: Darin spielt die Harfouch die angeklagte Bibi derart jenseits von „Liebling Kreuzberg“ et.al., als wäre sie Dauerzaungast im Amtsgericht.
Dieser beiden Szenen wegen und vielleicht ausschließlich ihretwegen wollen wir dann auch kein böses Wort über die Gefängnisepisode verlieren. So schlecht wie dieses „Frauenpension“-Intermezzo nämlich ist Huntgeburths Film nun wirklich nicht. Christoph Schultheis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen