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Ein Büro, das es nicht geben dürfte

■ Erstmals in Europa gründen Ausländervereine ein Büro, das bei Diskriminierung und Rassismus jeder Art helfen soll

Berlin (taz) – „Falsches Parken wird in Deutschland bestraft, nicht aber die Beleidigung menschlicher Würde.“ So faßt Dr. Ali Fathi die Situation ethnischer Minderheiten in Deutschland zusammen. Der gebürtige Iraner ist Geschäftsführer des gestern eröffneten Büros gegen ethnische Diskriminierungen in Berlin und Brandenburg. Barbara John, Berliner Ausländerbeauftragte, forderte auf einer kleinen Feier anläßlich der Eröffnung: „Wir wollen nicht mehr, sondern gleiche Rechte für Ausländer!“ Das Recht auf Wohnung, auf Arbeit, auf Gleichbehandlung im Alltag sei Menschenrecht, fuhr sie fort. Und: Der Alltag in Deutschland zeige, daß dieses Menschenrecht noch nicht alltäglich sei.

Erstmals innerhalb Europas haben sich in diesem Büro die Dachverbände ethnischer Minderheiten zusammengetan, um gegen Diskriminierungen vorzugehen. Zu den Trägern gehören der Türkische Bund, der Verein Iranischer Flüchtlinge, der Polnische Sozialrat, die Vereinigung der Vietnamesen und das Europa-Afrika-Zentrum. Insgesamt wurden 45 Verbände an den Planungen beteiligt. Daß dies nicht reibungslos gewesen sein kann, bewies ein kleiner Eklat zur Eröffnung: Ein Vertreter der Kurdischen Gemeinde Berlin beschwerte sich, daß von ihnen niemand an der Organisation des Büros beteiligt worden sei. Emine Demirbüken vom Türkischen Bund widersprach: Es seien sehr wohl Gespräche mit den Berliner Kurden geführt worden. Geschäftsführer Fathi vermutet hinter diesem Streit Differenzen innerhalb der kurdischen Gemeinde.

Langfristig, so der Iraner, der seit 1985 als politischer Flüchtling in Deutschland lebt, habe er die europaweite Vernetzung solcher Büros zum Ziel. Man wolle keine Konkurrenz zwischen den Bewegungen, sondern intensive Zusammenarbeit. Nur so könne der Kampf gegen Diskriminierungen zu einem Erfolg führen. Dieses Ziel wird zwei Jahre lang mit jährlich 60.000 Mark von der Europäischen Union unterstützt.

Zu den politischen Forderungen des Büros gehören ein neues Staatsbürgerrecht, das Ausländerwahlrecht sowie ein Antidiskriminierungsgesetz. „Das wären Signale gegen Rassismus“, so Fathi.

Die Diskriminierung ethnischer Minderheiten sei auf drei Ebenen zu beobachten: einer staatlichen, einer privat-institutionellen und einer alltäglichen. Immer wieder würden Ausländer zum Beispiel auf dem Arbeitsamt oder bei Meldebehörden benachteiligt werden. Aber auch bei Versicherungen, auf dem Wohnungs- und Stellenmarkt käme es zu Diskriminierungen. Fathi wunderte sich, daß etwa Zeitungen, die im redaktionellen Teil gegen Rassismus schrieben, Wohnungsanzeigen mit dem Vermerk „Keine Ausländer!“ abdruckten. Die offensten Diskriminierungen geschähen aber im Alltag: So zum Beispiel, wenn eine Kassiererin das Geld aus der Hand einer Türkin nicht entgegennähme, sondern diese auffordere, die Summe auf den Tisch zu legen.

Das Büro biete Betroffenen Hilfe, indem es das direkte Gespräch suche. So würde im Fall der Kassiererin der Filialleiter direkt angesprochen. Dabei würde darauf geachtet werden, daß der Fall zunächst nicht an die Öffentlichkeit käme und nicht skandalisiert würde. Zudem plane man Tagungen und Öffentlichkeitsarbeit. Barbara John blieb da nichts zu wünschen, als daß dieses Büro nichts zu tun hätte: „Wäre das nicht schön?!“ Florian Gless

Büro gegen ethnische Diskriminierungen in Berlin und Brandenburg, Hohenstaufenstr. 7, 10781 Berlin, Fon: (030) 2168884, Fax: (030) 2167926

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