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Washingtons Erpressung

■ US-Veto gegen zweite Amtszeit Butros Ghalis

Mit ihrem Veto gegen Butros Ghali in der ersten Abstimmung des UNO-Sicherheitsrats über eine zweite Amtszeit des UNO-Generalsekretärs haben die USA gestern ihre seit Monaten angekündigte Erpressung der Vereinten Nationen wahrgemacht. Nur wenn ein Generalsekretär von Washingtons Gnaden gewählt wird – so die unverblümte Botschaft der Clinton-Administration –, zahlen die USA ihre Milliarden rückständiger Schulden an die UNO-Kasse und künftig vielleicht auch pünktlich ihre jährlichen Pflichtbeiträge.

Doch zu einer erfolgreichen Erpressung gehört auch immer jemand, der sich erpressen läßt. Keine Verfahrensregel untersagt, daß Butros Ghali in den kommenden Wochen immer wieder nominiert wird. Dann wäre die Frage, wer das längere Stehvermögen beweist – die USA oder die anderen 14 Mitglieder des Sicherheitsrats. Ein durchaus denkbares Szenario. Dabei würde jedoch vor allem das Ansehen der UNO noch weiter beschädigt, als es ohnehin schon ist, nachdem die USA und die anderen westlichen Mitgliedsstaaten die Weltorganisation in den letzten vier Jahren systematisch zum Sündenbock für das Versagen der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Somalia gemacht haben.

Je länger das Gefeilsche um Butros Ghali fortgesetzt wird, desto geringer wird die Chance, bis zum Jahresende einen überzeugenden Nachfolger oder besser noch eine Nachfolgerin zu finden. Er oder sie sollte für mehr stehen als für einen profillosen Ausdruck des kleinsten gemeinsamen Nenners der 185 UNO-Mitgliedsstaaten. Mit der UNO-Flüchtlingshochkommissarin Sadako Ogata, Norwegens Exregierungschefin Gro Harlem Brundlandt oder dem ehemaligen Chefankläger des Internationalen Kriegsverbrechertribunals, Richard Goldstone, sind überzeugende Namen in der Diskussion. Es bedarf jetzt nur der Nominierung durch eine oder mehrere UNO-Mitgliedsregierungen.

Butros Ghali, gegen dessen zweite Amtszeit unabhängig von den US-Vorwürfen zahlreiche gute Gründe sprechen, würde sich mit einem Verzicht auf eine weitere Kandidatur den besten Abgang verschaffen und zugleich den Vereinten Nationen noch einen letzten großen Dienst erweisen. Andreas Zumach

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