: Affen und Malerfürsten
■ Der Film „Dürers Erben“ seziert die offizielle DDR-Malerei
Mit dem abstrakt malenden Schimpansen „Pablo“ machte sich die Wochenschau in den Fünfziger Jahren über die moderne Kunst lustig. Dem Filmemacher und Künstler Lutz Dammbeck dient der Affe mit dem beziehungsreichen Namen als Eingangs-Parabel für seinen Film Dürers Erben über Aspekte der deutschen Nachkriegskunst. Im Mittelpunkt der Dokumenten-Collage steht der sozialistische Realismus. Hochburg dieser Staatskunst war die „Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst“, an der Lutz Dammbeck selbst von 1967-1972 studiert hat.
Die einst mächtigen Malerfürsten der SED, Dammbecks alte Lehrer, geben ihm nun erschreckend banale Interviews. „Ich lehne die moderne Kunst nicht ab, aber ich gähne dabei vor Langeweile“, sagt Werner Tübke, reklamiert Dürer zum Vorbild und erklärt sich ansonsten für unpolitisch. Ein beängstigender Mangel an Reflexion, war der Mann doch zusammen mit Bernhard Heisig ein Gralshüter der Staatskunst und bekam von der DDR für sein Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen eigens einen höchst merkwürdigen Maltempel errichtet.
Mit einem repressiven Steuerungsapparat und passend ausgesuchten Künstlern setzten die Kulturfunktionäre dem westlichen Kunstsystem, wie es auf documenta I + II sichtbar wurde, ihre „politische“, „realistische“ Kunst entgegen. „Unsere Maler haben wieder malen gelernt. Vorbei die Zeiten als nur der Kommentar des Malers klarstellte, ob das Bild eine Schüssel Tomatensalat oder eine Alpenlandschaft darstellen sollte“: dies ist nicht DDR-Ton, sondern NS-Propagandaminister Goebbels.
Der Vergleich liegt nahe: Lutz Dammbeck folgt den Wurzeln des sozialistischen Realismus ins völkische Gedankengut und dessen späterer totalitärer Überhöhung in Deutschland und der UdSSR. In der Kampagne gegen den Formalismus kehren in den Fünfziger Jahren die Worte „Entartung“ und „Zersetzung“ wieder und es wird eine Kunst gefordert, die „national in der Form und sozialistisch im Inhalt“ sei.
Nach dem Bau der Mauer konservierte solch konservative Malerei trotzig ihr angeblich deutsches Erbe. Heute erscheint diese leicht zugängliche Kunst manchem von der Erschöpfung der Moderne redenden Zeitgeistern wieder attraktiv. Da tut es gut, etwas mehr über die Hintergründe und Traditionen dieser offiziösen Pinselei zu erfahren. Hajo Schiff
Ab heute, Zeise-Kino; Dienstag nach dem Film um 21 Uhr Podiumsdiskussion mit Axel Hecht, Siegfried Gohr, Eckhart Gillen und Lutz Dambeck
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