piwik no script img

Faktischer Abschiebestopp für Bosnier

■ Innensenator stellt in der Bürgerschaft klar: Vor März passiert nichts

Offiziell will Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) zwar keinen Abschiebestopp für Bosnier aussprechen, doch bis zum Frühjahr wird kein Fall von „zwangsweiser Rücckehr“ auftreten. Das stellte Wrocklage gestern in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft klar.

Von Dezember bis Ende Februar „gilt sowieso die Winterpause“, so der Innensenator. Und bislang sei „kein Fall aufgetreten“, der in den nächsten zehn Tagen abgeschoben werden müßte, könnte oder sollte. Ausgenommen seien Straftäter. Ansonsten würde der Winter von der Ausländerbehörde dazu genutzt, die „Rückführung“ ab März „administrativ“ vorzubereiten.

Damit erklärt Wrocklage öffentlich, was er der SPD-Fraktion auf innerparteilichen Druck bereits zugesagt hat: Ein faktischer Abschiebestopp ohne offizielle Garantie. Die SPD mußte jedoch trotz der internen Differenzen zum Umgang mit bosnischen Flüchtlingen dem Innensenator zur Seite springen. Es werde jeder Einzelfall „sehr sensibel geprüft“, so Erhard Pumm. Wie gut er sich mit der „Rückführungs“-Weisung auskennt, demonstrierte Pumm gleichfalls: Es würden keineswegs Traumatisierte und Vergewaltigte und auch keine Menschen über 65 Jahre abgeschoben. Tatsächlich aber dürfen Rentner nur dann vorerst bleiben, wenn sie keine Sozialhilfe beziehen.

Wenn man den Defacto-Abschiebestopp „als Ergebnis“ der Bürgerschaftsdebatte festhalten könne, sei das doch äußerst erfreulich, so GALierin Sabine Boehlich. Der Zynismus der 20prozentigen Sozialhilfekürzung für Bosnier als „Stimulanz zur Rückkehr“ sei damit zwar nicht vom Tisch. Trotzdem bedeute „diese Klarstellung für die Flüchtlinge sehr, sehr viel“.

Erfreut zeigte sich auch die CDUlerin Karin Koop, die in ihrer Partei eine Minderheitenmeinung vertritt: „Das ist genau das, was ich immer gefordert habe.“ Sie vermisse aber „konkrete Vorschläge“ zur Förderung der Rückkehr. Außerdem „wird immer der Eindruck erweckt, alle bosnischen Handwerker wären hier bei uns, und wenn man sie zurückschieben würde, werde alles klappen“. Das sei Unsinn. Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen