: Alle Jahre wieder Weihnachtsgeld
■ Adventszaster auf dem Prüfstand / Wer bekommt was wann warum?
Einen Tag hatte die Geschäftsführung des Bremer Bauunternehmens August Reiners GmbH die Hälfte des 13. Monatsgehaltes der Belegschaft gekürzt. Dann mußten die Chefs einsehen: Bei Adventspfründen verstehen MitarbeiterInnen keinen Spaß – sie drohten mit Arbeitsniederlegung. Das Unternehmen zahlt wieder volles Weihnachtsgeld.
Doch die Frage nach der Zusatz-Finanzspritze treibt dieser Tage wieder viele ArbeitnehmerInnen um. Nicht immer ist der Boß so großzügig wie der eigentliche Erfinder des Weihnachtsgeldes: Thoederich der Große soll es gewesen sein. Er wies zu Beginn der gotischen Herrschaft über Italien kurz vor Weihnachten anno 500 den römischen Senator Flavius Cassiodorus an: „Am heutigen Tage geziemt es uns, auch denen, die durch die lange Jahreszeit ermüdet sind, ein Heilmittel der Freude zu bringen, damit die höheren Güter, die der schwankenden Welt verliehen sind, von ihnen mit uns gemeinschaftlich empfunden werden.“
Ein toller Chef mit Vorbildfunktion: Vorreiter in Deutschland waren wie üblich die Metaller. 1952 hat man den Arbeitgebern erstmals das Weihnachtsgeld abgerungen. Doch jetzt – in der Weihnachtszeit Nummer 1 nach dem Kohlschen Sparpaket – gerät bekanntlich alles, was die so gigantischen Lohnkosten im wiedervereinigten Deutschland in die Höhe treibt, auf den Prüfstand. So auch das liebgewordene Weihnachtsgeld.
„Es gehört auf jeden Fall zur Verhandlungsmasse“ im Poker um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, sagt Jürgen Neumann, Sprecher des Bundesverbandes der deutschen Arbeitgeber. Nur wofür soll man sich entscheiden? Weniger Krankengeld oder keine Geschenke? Weihnachten 1996 gibt's noch welche unterm Tannenbaum. Grund: Noch liefen die Tarifverhandlungen, deshalb ist auch noch kein Weihnachtsgeld der Republik so richtig angetastet worden.
Doch inwiefern sind Kürzungen zulässig? Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sieht es wie folgt aus: Das in gültigen Manteltarifverträgen festgeschriebene Weihnachtsgeld kann nicht einseitig gekürzt werden. Zahlt der Arbeitgeber weniger oder gar nicht, kann geklagt werden wegen Tarifbruchs.
Weihnachtsgeld steht übrigens auch Teilzeitbeschäftigten zu. Da geht's Studierenden schlechter. Wer gedacht hat, klasse, beim BAföG gibt es Weihnachtsgeld, hat sich geschnitten. 1976 hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen: Wer so toll gefördert wird, dem ist zuzumuten, durch Nebentätigkeit einen Verdienst zu erzielen, mit dem er Nebenaufwendungen anläßlich des Weihnachtsfestes decken kann. Anders dagegen verhält es sich bei Nichtchristenmenschen. Die kriegen auch Weihnachtsgeld – obwohl ihr Herrgott gar keinen Geburtstag hat. Grund: der Gleichbehandlungsgrundsatz.
Bei Kündigung wird das Weihnachtsgeld anteilsmäßig ausgezahlt. Will man selbst kündigen, heißt es aufpassen. Ab einem Monatsgehalt Weihnachtsgeld, bindet einen das bis zum 31. März an den Arbeitgeber.
Erziehungsurlaub wirkt sich ebenfalls nicht weiter aus. Es sei denn, der Tarifvertrag regelt dies. Anders sieht es aus, wenn eine Arbeitnehmerin im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft krank wird. Dann darf der Arbeitgeber kürzen. Trotz anhaltender Proteste entschied das Bundesarbeitsgericht 1993, daß dies nicht gegen den Gleich-heitsgrundsatz verstoße.
RentnerInnen erhalten übrigens kein Weihnachtsgeld. Zur Begründung sagt der tarifpolitische Experte des DGB, Reinhard Dombre: „Man muß das Weihnachtsgeld als Zusatzgratifikation für geleistete Arbeit betrachten.“ Da RentnerInnen nicht mehr arbeiten, gibt es auch keine Finanzspritze auf dem Altenteil. Gemein finden es viele RentnerInnen, daß PensionärInnen den Adventszaster bekommen. „Die müssen allerdings ihre Pension besteuern“, hält Dombre dagegen.
Zuletzt noch ein Tip: Am besten das ganze Jahr krank feiern. Der Arbeitgeber muß trotzdem zahlen. Es sei denn, man hat einen blöden Tarifvertrag. Jeti
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