Alles und noch etwas mehr

Ein Peru-Reiseführer: Gutaufbereitetes Material, das auch ohne anbiedernde Geheimtips und Schnickschnack auskommt  ■ Von Thomas Pampuch

Peru es todo y algo mas – Peru ist alles und noch etwas mehr“, versprechen uns Ute Boewen und Ralf-Dieter Uhlig in dem neuen „Mai-Weltführer 6“. Das ist insofern richtig, als das Land mit seinen drei großen Landesteilen Küste, Hochland und Urwald dem Touristen in der Tat einen schönen Einstieg in die Vielfalt Lateinamerikas bieten kann. Zudem hat das in den 80er Jahren von Krisen, Terrorismus und Naturkatastrophen gebeutelte Land in den letzten Jahren wieder Tritt gefaßt und mit ihm auch die darbende (und für das Land nicht unwichtige) Tourismusindustrie. 380.000 ausländische Gäste besuchten 1994 das Stammland der Inkas, 22.500 kamen dabei aus Deutschland. Tendenz steigend.

Dem Zug der Zeit folgend hat Mai seine Führer runderneuert, sie mit vielen Farbfotos und Plänen, einer relativ ausführlichen Landeskunde, einem fast 30seitigen Reise-Atlas und einem „Farbleitsystem“ für die einzelnen Kapitel ausgestattet. Der Kampf ist hart auf dem Reiseführermarkt, zumal bei den klassischen Reiseländern.

Boewen und Uhlig, beide ausgewiesene Landeskenner, verzichten in ihrem Werk auf jeden Schnickschnack und die an Alternativführern so gefürchteten anbiedernden „Geheimtips“. Es lohnt sich, ihr Buch wirklich auf die Reise mitzunehmen und es nicht nur als schönbebilderten Appetitmacher vor dem Trip zu lesen. Die Landeskunde ist solide, wenn auch knapp. Wenn im historischen Teil manches vielleicht etwas zu kurz kommt (insbesondere das Drama der Conquista), so wird man dafür mit gutrecherchierten Daten zu Staat, Verwaltung und Wirtschaft entschädigt. Das mag zwar manchmal etwas trocken daherkommen, aber jeder, der weiß, wie schwer es ist, in Peru genaue Daten zu bekommen, wird sich über die zusammengefaßten Informationen freuen. Von der Zahl der einsitzenden Häftlinge und dem Zustand der Gefängnisse bis zur eingehenden Beschreibung der wiederentdeckten altindianischen Getreideart kiwicha präsentieren die Autoren viel Material, das gerade wegen seiner Alltäglichkeit in den meisten Reiseführern einfach unter den Tisch fällt.

Manchmal hätte man den beiden allerdings eine etwas lockerere Hand gewünscht. Es scheint, als hätten sie über dem todo ein bißchen das algo mas aus den Augen verloren. So würdigen sie die jedem Perubesucher bekannten Straßentheater, die gegen Abend auf fast jeder plaza de armas zu genießen sind, gerade mal mit einem Nebensatz. Nirgendwo findet sich ein Hinweis, wie herrlich und unkompliziert man in Peru reiten kann. Und daß die wunderbare sopa criolla unerwähnt bleibt, ist schlicht verwunderlich. Aber vielleicht wollten Boewen und Uhlig ja den Reiseleitern vor Ort auch noch ein paar heiße Tips übriglassen. Gruppenreisende und Drei-Wochen-Touristen der gehobeneren Klasse sind mit Mais Weltführer Peru gut bedient. Auch Rucksacktouristen und alle, die länger bleiben wollen, sollten ruhig mal hineinschauen. Und sich dann doch noch das neueste „South American Handbook“ zulegen. Thomas Pampuch

Ralf-Dieter Uhlig, Ute Boewen: „Peru“. Mai-Weltführer 6, 95/96, 415 S., 193 Fotos, 49,80 DM