Schon jetzt gewählt: Die dümmste Karikatur des Jahres

Zuletzt war es ein Kopf-an-Kopf- Rennen zwischen Murschetz (Die Zeit), Hanel (FAZ) und H. Haitzinger (Bunte). Doch seit dem vergangenen Samstag steht der Sieger fest: Mit seiner Allegorie „Tod eines Winkeleisenvertreters“ hat der FAZ-Zeichner Hanel den diesjährigen Wettbewerb um die „dümmste Karikatur des Jahres“ vorzeitig für sich entschieden und wieder einmal in beeindruckender Weise bewiesen, daß jemand, der aber auch nicht die geringste Spur einer Ahnung von den Dingen des Lebens hat, sich zum Hausmeister seines Fachs hochdienen kann.

In einem gräulich dunklen Winkel stehen Mutter Heroin und Vater Kokain. Die beiden, bis aufs Skelett abgemagert, haben ihrer blonden Tochter Hasch ein mit deren Namen bedrucktes Blümchenkleid übergezogen und sie an den Straßenrand gestellt, wo sie durch wilde Tänze junge Männer herbeilocken und um die Ecke bringen soll. Dort lauert Heroin mit einer überdimensionalen Spritze, aus deren seltsam verbogener Nadel bereits ein erster Tropfen Gift spritzt, während Kokain zwei Finger spreizt, um gleich doppelfingrig den Stoff in beide Nasennüstern zu schaufeln.

Oder formt er ein Siegeszeichen und sucht aus seinen leeren Augenhöhlen Blickkontakt mit dem Leser, der mehr wissen soll als der ahnungslos herantrottende Winkeleisenvertreter Siegfried F.?

Doch halt! Hier setzen die ersten Fragen ein. Leicht geht die Allegorie nicht auf. Denn ausgerechnet die wichtigste Figur ist namenlos, nicht einmal ein schlichtes „Opfer“ hat Hanel hin- und weggeschmiert.

Unser Held wird durch Accessoires charakterisiert: eine ausgeleierte Aktentasche, aus dem ein – ja, was eigentlich? – Winkeleisen? Blasrohr? Freudenhammer? hervorlugt. Wer ist das? Ein Chemiestudent, der einen Bong oder sein Kawumm zur Verabredung mit Fräulein Hasch eingepackt hat? Nein, es ist der Zeichner Hanel selbst. Ihm steht der vor Entsetzen steifgefrorene Zeichenstab aus der Tasche. Nur knapp kann er der Versuchung durch die strapstragende Hasch widerstehen, um klaren Kopfes an den Schreibtisch zu seinen Allegorien zurückzukehren. Puuh, da hat er aber noch mal Glück gehabt! Michael Ringel