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Grenzüberschreitende Liebe

Eine Gefahr für staatliche Ausländerpolitik? Wie deutsche Behörden demokratische Grundrechte aushöhlen und abbauen  ■ Von Sabine Kriechhammer-Yagmur

Ehen über alle Grenzen sind in Deutschland nichts Besonderes: Über 50.000 Deutsche haben 1995 einen Partner oder eine Partnerin aus einem anderen Land geheiratet, mehr als eine halbe Million in den letzten 16 Jahren. Binationale Paare sind Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Und dennoch hatte der Verband bi-nationaler Familien und Partnerschaften (iaf) genügend Gründe, eine Broschüre vorzustellen, die die heimliche Abschaffung des Grundrechts auf freie Gattenwahl und auf Schutz von Ehe und Familie belegt.

Für Menschen aus Ländern, die nicht der Europäischen Union angehören, ist nach der Verschärfung des Ausländer- und Asylrechts die Eheschließung mit Deutschen eine der wenigen Möglichkeiten, in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Der in der Verfassung garantierte Schutz von Ehe und Familie gerät somit in Konkurrenz zu einer restriktiven Zuwanderungspolitik. Um diesen Widerspruch zu verdecken, konstruieren deutsche Behörden für binationale Paare den Begriff „Scheinehe“. Diese Wortschöpfung taucht nur im Zusammenhang mit binationalen und ausländischen Ehen auf und unterstellt pauschal, mit der Eheschließung eine Aufenthaltserlaubnis erreichen zu wollen. Doch selbst diese Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Eheschließung ist für drei Jahre lang vom Bestand der Ehe abhängig und kann immer wieder überprüft werden.

Bereits beim Plan der Eheschließung in Deutschland sind besonders hohe Hürden gesetzt worden: Ausländische Urkunden, die zur Eheschließung in Deutschland von den deutschen Behörden verlangt werden – und es sind wesentlich mehr Dokumente beizubringen wie bei einer deutsch-deutschen Eheschließung – müssen von übergeordneten Behörden im Heimatland des/der ausländischen Verlobten beglaubigt und von der deutschen Botschaft dort legalisiert werden. Dieser Legalisierung geht eine inhaltliche Überprüfung der Urkunden voraus, die sich oft dadurch auszeichnet, daß immer wieder neue Papiere zur Glaubhaftmachung angefordert werden. Die deutsche Auslandsvertretung bietet zu solchen Überprüfungen an, einen sogenannten „Vertrauensanwalt“ einzuschalten, dessen Bemühungen die Ehewilligen teuer bezahlen dürfen und der mit zweifelhaften Methoden versucht, das zu bestätigen, was die deutsche Botschaft vermutet beziehungsweise unterstellt hat.

Dokumente zur Eheschließung dürfen nicht älter als sechs Monate sein, ansonsten werden sie nicht mehr akzeptiert. Vom ersten Besuch beim Standesamt bis zur Aufgebotsbestellung vergehen oft Monate, währenddessen das Asylverfahren des ausländischen Verlobten endgültig abgelehnt wird oder eine erteilte Duldung bis zur Eheschließung von der Ausländerbehörde nicht mehr verlängert wird. Nicht selten kann ein Paar aufgrund fehlender oder veralteter Dokumente in Deutschland nicht heiraten, für eine Heirat in einem europäischen Nachbarland fehlen ebenfalls häufig die Voraussetzungen. AusländerInnen, die sich nicht legal in Deutschland aufhalten, haben überhaupt keine Möglichkeit, hier zu heiraten.

Muß eine Ehe dann aus einem dieser vielen bürokratischen Gründe im Heimatland des/der PartnerIn geschlossen werden, geht der Hürdenlauf weiter. Nach der Eheschließung muß die Heiratsurkunde zur Legalisation der deutschen Auslandsvertretung vorgelegt und ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung beantragt werden. Letzterem muß die Ausländerbehörde in Deutschland zustimmen. Auch bei diesem Verwaltungsweg gibt es unzählige Möglichkeiten der Diskriminierung und Verzögerung: Gerade bei ehemaligen Asylbewerbern wird häufig die Identität des ausländischen Ehepartners in Frage gestellt, es werden zeitaufwendige Überprüfungen und Befragungen angestellt. Dabei arbeiten Ausländerbehörde und deutsche Botschaft mit vereinten Kräften daran, positive Entscheidungen lange hinauszuzögern.

Wenn ein Beamter den Verdacht hegt, die Ehe diene lediglich der Aufenthaltsbeschaffung für den ausländischen Ehepartner, dann kommt auch das Argument der „Scheinehe“ zum Zuge. Genährt wird dieser Verdacht aus subjektiven, oft nicht nachvollziehbaren persönlichen Wertungen der Sachbearbeiter – oder einem in der Behörde üblichen und abgesprochenen Verdachtsmomente-Katalog. In diesem können größere Altersunterschiede (natürlich nur: ältere Frau und jüngerer Mann) ebenso auftauchen wie der Umstand, daß die ausländischen PartnerInnen als AsylbewerberInnen oder StudentInnen eingereist waren. Einmal geäußert, hält sich ein solcher Verdacht sehr hartnäckig. Die Motive der Eheschließung müssen nun also ermittelt werden. Eigens dafür entwickelte profunde Fragen wie: „Wer hat das Brautkleid gekauft?“ oder „Haben Sie gemeinsame Hobbies?“ sollen den Sachverhalt erhellen.

Einige Ausländerbehörden ermitteln lieber gleich vor Ort: bei den Betroffenen, ihren Nachbarn, Familienangehörigen oder Arbeitgebern, und verstoßen dabei gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Getrennte Befragungen der Paare sind keine Seltenheit. Diese Ermittlungen sind peinlich, erniedrigend und diskriminierend. Nur in sehr wenigen Fällen läßt sich tatsächlich nachweisen, daß die Ehe ausschließlich zum Zweck der Aufenthaltserteilung geschlossen worden ist.

Bis zu zwei Jahre kann diese Prozedur dauern, berichten vor allem Frauen mit Partnern aus Nigeria und Pakistan. Wird diese lange Durststrecke überstanden, werten die Behörden dies wahlweise als besonderen Liebesbeweis – oder als ein besonders hohes Maß an krimineller Energie.

Hat das Paar es schließlich doch geschafft, die Einreise und eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, beginnt der dritte Teil des Hürdenlaufs: Bei jeder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und auf jeden Fall vor Erteilung eines eigenständigen unbefristeten Aufenthaltsrechts schauen die Behörden nochmals genauer hin: Lebt das Paar in ehelicher Gemeinschaft oder etwa nicht? Indikatoren dafür können neben anonymen Hinweisen auch getrennte Wohnsitze, Arbeits- und Studienplätze an unterschiedlichen Orten etc. sein.

Anhand minutiös aufgearbeiteter Einzelfälle aus der Beratungsarbeit des Verbands iaf erhärtet sich der Verdacht, Ehen zwischen Deutschen und MigrantInnen aus bestimmten Herkunftsländern sollten verhindert oder zumindest verzögert werden. Dies liegt ganz im Trend: Die ausländerpolitische Leitlinie der Bundesregierung aus den achtziger Jahren, weiteren (Familien-)Zuzug zu begrenzen, ist nach wie vor gültig. Und: politische Entscheidungen werden auf der Verwaltungsebene umgesetzt, unterhalb einer Gesetzes- oder Verfassungsänderung, und unbemerkt von allen, die nicht unmittelbar beteiligt sind.

Die iaf-Broschüre: „Im siebten §§-Himmel. Die heimliche Abschaffung eines Grundrechts. Wie binationale Eheschließungen und Familenzusammenführungen verhindert werden“ ist zum Preis von 4 DM zu beziehen bei: iaf e.V., Kasseler Straße 1 a, 60486 Frankfurt/Main, Fax: (069) 7075092

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