: Italiens Lira wird wieder ganz europäisch
■ Nach vier Jahren zurück im EWS. Wermutstropfen für Ministerpräsident Prodi
Rom (taz) – Italien kehrt zurück nach Kerneuropa. In der Nacht zum Montag hat sich die italienische Regierung mit ihren EU-Partnern auf den Wiedereintritt der Lira ins Europäische Währungssystem (EWS) geeinigt. Vier Jahre nach dem erzwungenen Ausstieg aus dem EWS wurde ein Kurs von 990 Lire für eine Mark festgesetzt. Um diesen Kurs darf die Lire künftig um 15 Prozent schwanken. Die Börse freute sich, und auch wenn Italiens Exportwirtschaft maulte, war Regierungschef Romano Prodi zufrieden. Prodi hatte mit dem Wiedereinstieg ins EWS die erste Voraussetzung geschaffen, daß Italien beim Euro dabeisein kann. Bundesfinanzminister Theo Waigel begrüßte die Heimkehr der Lira. An den Börsen außerhalb Italiens notierte die Währung fester.
Doch die Freude bei Prodi währte nicht lange. Gestern mittag nämlich gab die römische Staatsanwältin Giuseppa Geremia bekannt, daß sie Anklage gegen Prodi erheben will. Geremia untersucht seit zwei Jahren Verkäufe von Firmen aus dem Staatskonzern IRI – dessen Vorstandssprecher Prodi war. Die IRI-Chefriege soll seinerzeit die Nahrungsmittelfirmen Cirio-Bertolli-De Rica zu einem nicht zu rechtfertigenden Niedrigpreis an einen Privatunternehmer verkauft haben. Dieser hatte anschließend Geschäftsanteile an den Multi Unilever weiterveräußert. Und die Unilever beriet damals auch: Romano Prodi. Geremia wirft Prodi nun Beihilfe zum Amtsmißbrauch vor. Prompt fielen in Mailand die Aktienkurse.
Der Regierungschef gibt sich gelassen: „Ich habe Vertrauen in die italienische Justiz. Aber wie die Sache auch ausgeht, die Ehrenhaftigkeit meiner Person wird davon ja nicht berührt, die Sache spielt sich ja ausschließlich im Rahmen meiner Bemühungen um eine Sanierung des IRI-Konzerns ab.“ Den hatte er in der Tat aus den roten Zahlen heraus und in eine satte Gewinnzone geführt; Grund dafür, warum ihm viele Italiener bei der Wahl im Frühjahr 1996 ihre Stimme gegeben haben.
Nun muß der Untersuchungsrichter prüfen, ob er die Anklage zuläßt. Das wird im Frühjahr 1997 geschehen, wenn überhaupt: Bereits seit Jahren werkeln Italiens Justizausschüsse an einer Neufassung der Rechte und Pflichten von Amtsträgern. Ein Gesetzentwurf, in dem das Prodi nun vorgeworfene Delikt ersatzlos gestrichen werden soll, soll Anfang 1997 im Parlament beraten werden. Werner Raith
Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10
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