Tote Fische in telegenen Posen

■ Born-Prozeß: „SternTV“-Chef Zaik über den zweifelhaften Redaktionsalltag

Koblenz (taz) – „Da bin ich aber jetzt empört – als Zuschauer“, rief der ansonsten souveräne Vorsitzende Richter Ulrich Weiland aus, und er meinte nicht etwa den Angeklagten Fernsehfälscher Michael Born (38). Vielmehr brachten den Richter die Einlassungen des als Zeugen geladenen „SternTV“-Chefs Andreas Zaik (36) aus der Fassung. Der war seit 1992 mit dafür verantwortlich, daß sein Magazin rund 20 vollständig oder teilweise gefälschte Beiträge des Fakespezialisten angekauft und gesendet hat. In seiner Aussage berichtete Zaik von den offenbar üblichen „SternTV“-Praktiken bei der Herstellung von Reportagen. So wurde zum Beispiel in einem Beitrag über giftige Emissionen bei der Hoechst AG auf Anweisung eines Redakteurs von „SternTV“ ein toter Fisch aus der Lahn gefischt und telegen an die „richtige Stelle“ verlegt.In einem anderen Film über die angeblich illegale Einfuhr britischer Rinder nach Deutschland vom Oktober 94 führte eine Mitarbeiterin von „SternTV“ ein Telefongespräch mit einem Viehhändler, das in Wirklichkeit nie stattfand. Der Redaktion lag lediglich ein von Born auf Tonband aufgezeichnetes Gespräch vor. „Alles war eigentlich korrekt – nur das Telefonat war gefälscht“, folgerte der Kammervorsitzende. Zaik entschuldigte die Fälschung am Montag damit, daß die Redakteurin tatsächlich versucht habe, den Viehhändler anzurufen. Im übrigen bekomme man solche nachgestellten Szenen im Fernsehen häufig zu sehen. „Da soll dann zum Beispiel dargestellt werden, daß ein Fax vom Umweltbundesamt kommt. Im Film läuft dann tatsächlich ein Fax aus dem Gerät – aber es kommt nicht vom Umweltbundesamt.“

Angesichts solcher Einlassungen wurde das Grinsen des Angeklagten Michael Born immer breiter. Wohl allzu gern sah er, wie Richter Weiland Zaik in die Mangel nahm, ihn zu allen Filmen von Born, die unter seiner Ägide von „SternTV“ gesendet worden waren, befragte. Auch zu einer Born- Reportage über Kinderarbeit in Indien, die in einer Manufaktur Teppiche für Ikea webten – angeblich. Nach der Androhung einer Schadenersatzklage in zweistelliger Millionenhöhe gegen Gruner+Jahr („SternTV“) durch die Firma, der Ikea die Lieferverträge gekündigt hatte, holten sich die Redakteure von „SternTV“ und die Justitiare von G+J einen Experten vom deutschen Teppichbodeninstitut zur Begutachtung des Filmmaterials ins Haus. Der stellte schnell fest, daß die im Film zu sehenden Kinder auf dem Webstuhl nur „rumhampelten“, aber keinen Teppich herstellten. Doch selbst danach galt Born bei „SternTV“ nicht als Fälscher. Zaik: „Ich habe gedacht, Born ist von seinen indischen Informanten reingelegt worden.“ Auch der am Montag als Zeuge geladene Rechtsanwalt Wilfried Seibert, der für G+J arbeitet, war danach lediglich „sauer über die schlechte handwerkliche Arbeit“ von Born. „Betrug? Auf den Gedanken bin ich nicht im Traum gekommen.“

Noch in diesem Jahr will das Gericht das Urteil gegen Born und seine beiden mitangeklagten „Helfershelfer“ verkünden. Bereits am 9.Dezember sollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers halten. Klaus-Peter Klingelschmitt