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Im Zweifel für die Banane

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ebnet den Weg für Härtefallregelungen. Zugleich weist er deutsche Verfassungsrichter in die Schranken  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Eine kleine Branche sorgt weiter für große Unruhe. Gestern entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, daß konkursbedrohte deutsche Bananenhändler mit einer Härtefallregelung aus Brüssel rechnen können. Gleichzeitig nützten die Europarichter das milde Urteil zu einer Anmerkung in eigener Sache: Der Rechtsschutz in derartigen Fällen sei Sache des EuGH und nicht der nationalen Gerichte.

Nur wenige tausend Menschen sind in Deutschland wirtschaftlich vom Bananenhandel abhängig. Doch die Händler fühlen sich von der 1993 eingeführten Marktordnung so stark benachteiligt, daß sie permanent deutsche und europäische Gerichte beschäftigen. Während deutsche Importeure vor allem Dollarbananen aus Lateinamerika einführen, dient die Bananenordnung Erzeugern in den EU- Überseegebieten und den AKP- Ländern (Afrika/Karibik/Pazifik).

Ein deutsches Unternehmen traf die Einführung der Bananenordnung besonders hart. Seit über 100 Jahren importiert die Hamburger Firma T. Port Bananen nach Deutschland. Doch ausgerechnet im Referenzzeitraum für die Zuteilung der neuen Kontingente hatte sie ihr Lieferant sitzengelassen. Die Folge: Sie ging bei der Verteilung der Einfuhrlizenzen fast völlig leer aus.

Deshalb forderte Port Sonderlizenzen, hatte damit jedoch keinen Erfolg. Erst das Bundesverfassungsgericht wies die deutschen Gerichte an, den drohenden Konkurs abzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel tat wie geheißen, fragte aber sicherheitshalber beim EuGH in Luxemburg an, ob hierbei auch alles mit rechten Dingen zugehe.

Gestern entschied nun der EuGH, daß die EU-Bananenordnung genügend Spielraum läßt, auch knifflige Konstellationen wie die von T. Port zufriedenstellend zu lösen. Ausdrücklich stellten die Europarichter fest, daß die EU- Kommission in Brüssel in Härtefällen von den üblichen Regeln abweichen kann. Die Bananenordnung selbst bleibt unberührt.

Ob T. Port nun auf Dauer wieder in gewünschtem Maß Bananen einführen kann, liegt in der Hand der EU-Kommission. Für T. Port und einen anderen bedrohten deutschen Importeur haben sich in Brüssel schon die Bonner Minister Borchert (Landwirtschaft) und Rexrodt (Wirtschaft) stark gemacht. Und die Kommission dürfte inzwischen wohl selbst an einer großherzigen Geste interessiert sein. Denn mit einer Härtefallregelung für T. Port wäre zumindest einer der wichtigsten Kläger weitgehend klaglos gestellt.

Andere Rechtsstreitigkeiten sind allerdings weiter offen. Auf dem Prüfstand stehen noch die Gatt-Konformität der Bananenordnung und die Schadenersatzansprüche zahlreicher deutscher Importeure wegen der erlittenen Gewinneinbußen. In beiden Fällen könnte es noch zum Konflikt zwischen EuGH und Bundesverfassungsgericht kommen.

In Karlsruhe vertritt man die Auffassung, daß man gegenüber dem EuGH eine Art Reservezuständigkeit hat. Werden Grundrechte von deutschen EU-Bürgern in Luxemburg nicht genügend geschützt, so will Karlsruhe helfen. Der EuGH beansprucht jedoch für sich das Letztentscheidungsrecht. Und nach den Verträgen steht es ihm auch zu.

Gestern haben die Europarichter klargestellt: Wenn bei Härtefällen erst noch eine Regelung der Kommission erforderlich ist und diese sich nicht bewegt, dann müssen sich die Beteiligten an den Europäischen Gerichtshof wenden. In Eilfällen kann in Luxemburg auch einstweiliger Rechtsschutz verlangt werden. Nichts zu sagen haben in diesen Fällen jedoch die nationalen Gerichte – inklusive Bundesverfassungsgericht. Typisch EuGH: Wieder einmal weist er die nationalen Instanzen in die Schranken, indem er zugleich die ärgsten Sorgen der Betroffenen aufnimmt und ihnen abhilft.

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