: Stromrebell wird preisgekrönt
Michael Sladek, Gründer der Schönauer Initiative zur Übernahme des lokalen Stromnetzes, bekommt den Öko-Sonderpreis von „Capital“ und WWF ■ Aus Schönau Susanne Stiefel
Capital kürt den Ökomanager des Jahres 1996. Und siehe da, den Sonderpreis gibt's für einen, der so gar nicht in die Reihe von BDI- Chef Henkel und Pudding-Oetker paßt: Michael Sladek, Stromrebell aus Schönau.
Die Öko-Prüfung hat Michael Sladek schon im Frühsommer bestanden. Einen sonnigen Nachmittag lang war die Jury des Magazins und der Umweltstiftung WWF zu Besuch bei dem Atomkraftgegner im kleinen Schwarzwaldort Schönau. Man saß im Garten der Jugendstilvilla, diskutierte ausführlich („Die wollten alles wissen“) und plauderte nett. Selbstverständlich hat der 50jährige auch sein Blockheizkraftwerk im Keller vorgeführt. Denn das zeigt Michael Sladek jedem, der ihn besucht, Erklärung und Belehrung inbegriffen.
Wie die drei Prüfer hießen, die ihn des gestern verliehenen Sonderpreises für würdig befanden, das weiß Michael Sladek längst nicht mehr. Allenfalls noch, daß ein Professor dabei war. Namen vergißt er schnell, aber niemals, was er will: das Energiemonopol der Konzerne brechen, in dem kleinen Ort Schönau den Ausstieg aus der Atomenergie schaffen und Herr über das eigene Stromnetz sein.
So mag man sich Räuber Hotzenplotz vorstellen: Michael Sladek ist groß und breit, trägt den Vollbart wild und das Haupthaar zottelig: „Wenn einer aussieht wie ich“, sagt der praktizierende Arzt, „dann muß er aufpassen, daß er in keiner Schublade landet.“ Alternativer, Müsli, Revoluzzer, das will er alles nicht sein. Sladek will „etwas Praktisches gegen Atomenergie“ unternehmen, wählt von CDU bis Grün alles. „Mehrheiten“, sagt er, „gewinnt man nicht in den Ecken.“ Das könnte auch von der CDU stammen.
Das Begehren der Schönauer ist kühn. Wer das Netz hat, hat die Macht, das hatten die Schwarzwälder Atomkraftgegner schnell erkannt. Wer Herr über die kilometerlange Kabelwelt unter den örtlichen Straßen ist, der kann bestimmen, ob sich Stromsparen lohnt oder der Umstieg auf alternative Energien. Über den Preis. Die Strompioniere beschlossen, das Netz zu kaufen. Denn die Kraftübertragungswerke Rheinfelden, die jahrelang den Konzessionsvertrag mit der Gemeinde hatten, zeigten kein Interesse an günstigen Tarifen für Sparer oder hohen Einspeisevergütungen: Sie wollten ihren Strom verkaufen. „Denen geht es nur um Profit“, sagt Sladek grollend. Und das klingt nun wieder weniger nach CDU.
Ebensowenig wie der Name der Schönauer Kampagne: „Ich bin ein Störfall.“ Unter diesen Vorzeichen sammeln die Stromaktivisten seit Mitte September bundesweit Geld für den Kauf des unterirdischen Kabelnetzes. Vier Millionen hatten sie schon zusammen, doch die Kraftwerke wollten zunächst 8,7 Millionen, vor wenigen Tagen gingen sie auf 6,5 Millionen herunter. Immer noch total überteuert, sagt Sladek: „Die dachten, wir prozessieren und geben im Laufe der Jahre klein bei.“
Doch diese Rechnung ging nicht auf. Die Schönauer wollen zahlen und dann prozessieren. Die fehlenden Millionen soll die Störfall- Kampagne bringen, die ihnen von einer Frankfurter Werbeagentur kostenlos ausgearbeitet wurde, von der gemeinnützigen Bochumer Gemeinschaftsbank unterstützt wird und von einer Gruppe von Prominenten, die im Vorstand der Stiftung Neue Energie sitzen und die gespendeten Gelder verwalten: Carl Améry etwa oder Ernst Ulrich von Weizsäcker. Mehr als eine Million Mark haben sie schon zusammen.
Wenn Michael Sladek von dem zehnjährigen Kampf gegen den Strombetreiber erzählt, dann verliert er manchmal seine behäbige Gelassenheit. Dann richtet sich der Mann mit den barocken Formen, der da im Familien-Eßzimmer auf dem Stuhl lümmelt und den Bauch selbstzufrieden rausdrückt, schon mal auf und sticht mit dem Finger in die Luft. Ein Eiferer wird er dadurch nicht. Sein Credo: Man muß über sich selbst lachen können.
Das scheint auch das Erfolgsrezept der Schönauer Anti-AKW- Aktivisten zu sein. Efaz heißt die Keimzelle des Widerstands, die sie vor zehn Jahren nach der Katastrophe von Tschernobyl gründeten, das ist die Abkürzung für „Eltern für atomfreie Zukunft“. Aber auch die selbstkritische kabarettistische Verballhornung in „Es faseln alle zuviel“, „Ein Furz auf Zeit“ oder „Esoterische Fraktion angetörnter Zwangsneurotiker“.
Der Widerstand ist bodenständig, und ihre Utopien waren von Anfang an praktisch: Sie sparten Strom und veranstalteten als Belohnung ein Stromspar-Quiz, bei dem die Stromrechnung das Los und der Preis ein Schlemmeressen war. Als die Heizung der Schule ausfiel, machten sie sich für ein Blockheizkraftwerk stark, das Wärme liefert und nebenbei noch Strom für die Einspeisung ins Netz. Viele Schönauer stellten sich inzwischen einen solchen „Kraftzwerg“ (Sladek) in den Keller. Und als die Netzbetreiber schlecht zahlten für den alternativen, garantiert atomkraftfreien Strom aus den Haushalten, da beschlossen sie, das Netz zu kaufen. Lange theoretisiert wurde nicht. Alles entwickelte sich Schritt für Schritt.
So wie Michael Sladeks Engagement. „Meine Beweggründe sind medizinische“, sagt er. Nach Tschernobyl begann er darüber nachzudenken, wie sich Strahlung auf die Gene auswirken, wie defekte Gene auf die nachfolgende Generation vererbt werden. „Das geben wir an unsere Kinder weiter“, sagt der Mediziner. So wurde er aktiv in Schönau, wo er sich vor fast 20 Jahren in eine Arztpraxis eingekauft hat. Hier sind seine fünf Kinder groß geworden, hier engagierte er sich im Kirchengemeinderat und auf dem Ticket der Freien Wähler im Gemeinderat.
Wenn Sladek auf lauten Clocks- Sohlen durchs Dorf stapft, ist er weder zu überhören noch zu übersehen: Der König von Schönau, der Majestix vom Rebellendorf. Er stoppt den VW-Bus eines Netzkauf-Mitstreiters für einen kurzen Plausch. In die Praxis braucht er heute nicht, sein Partner hat Sprechstunde. Der Weg führt statt dessen zum Büro der Schönauer Energieinitiativen, wo „mein Weib“, wie er seine Frau zu nennen pflegt, die Störfall-Kampagne organisiert. Der Mann ist präsent, an seiner lauten Unbekümmertheit und Unkonventionalität kommt keiner so schnell vorbei. Sladek organisiert, telefoniert, diskutiert bevorzugt an dem runden Eßzimmertisch, wo schon viele Ideen geboren wurden, gibt Interviews und hält auch am 50. Geburtstag Referate.
So nebenbei nahm er gestern auch den Öko-Preis entgegen. Über sein Outfit mußte sich Sladek zuvor allerdings Gedanken machen. Schließlich ist Modedesignerin Britta Steilmann eine seiner VorgängerInnen.
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