■ Ökolumne: Unter der Grenze zur Lächerlichkeit Von Rolf Brüning
Die Bündnisgrünen sind eine Bewegungspartei, oder wenigstens wollten sie das lange sein. Ihren Abgeordneten haben sie immer zugemutet, einen Teil das parlamentarischen Salärs wieder für die Parteiarbeit zu spenden – unter anderem in sogenannte Ökofonds. Damit, so die Überlegung, könne die Partei die Arbeit an der Basis unterstützen.
Wie es sich für die Bündnisgrünen gehört, ist die Verteilung des Geldes, es handelt sich um jährlich 750.000 Mark, dezentral organisiert. Die Ökofonds der einzelnen Bundesländer unterstützen Projekte, die gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen arbeiten, Ansätze zur Neugestaltung einer solidarischen Gesellschaft entwickeln und der gesellschaftlichen Ausgrenzung entgegenwirken. In Berlin finanzieren wir dieses Jahr unter anderem einen Stadtführer Umwelt und Entwicklung, den Kauf eines Solarkochers für ein Krankenhaus in Eritrea, eine Faltblattserie zu Novel Food und Informationen zum Jahrestag des Super-GAU in Tschernobyl. 38.700 Mark haben wir für die Aktivitäten zur Verfügung, wir sind ja nur ein kleines Bundesland.
Doch jetzt sind diese Gelder in Gefahr. Auf der laufenden Bundesdelegiertenkonferenz in Suhl sollen die Ökofonds geschröpft werden, von bisher 750.000 Mark auf künftig 300.000 Mark. Nicht austeilen statt einsacken, wie es einst bei uns hieß, sondern einsacken statt austeilen. Die Begründung der Partei-Finanzstrategen ist diffus. Schatzmeister Dietmar Strehl teilt mit, die Finanzlage sei „schwierig, aber nicht hoffnungslos“.
Natürlich fehlt es allenthalben an Geld, macht die spärlicher fließende Staatsknete dem Bundesschatzmeister Sorge. Aber vor allem, so scheint es, haben sich die Finanzgenies in der Parteispitze mal wieder beim Häuserbauen verspekuliert. Die Bundesgeschäftsstelle soll nach Berlin – in einen noch maroden Altbau. Jetzt klemmt's bei der Sanierung, auch die kostet nämlich Geld. Für manchen sicher ein Déjà-vu-Erlebnis: Im Immobiliengeschäft sind die Grünen schon einmal auf die Nase gefallen: Millionenverluste hat die Partei mit Haus Wittgenstein eingefahren.
Damit nicht der Pleitegeier über der Bundesgeschäftsstelle kreist, sollen in Suhl nun die Schwächsten dran glauben. Die Ökofonds finanzieren Gruppen ohne Parteilobby, eine Gegenwehr wird nicht befürchtet. Auch wenn sich die Berliner Bündnisgrünen schon gegen die Kürzung aussprachen – ohne große Diskussion soll die Parteikasse in Stein gehauen werden.
Der Ausstieg in Raten aus den Fonds symbolisiert auch den Abschied von der Gesellschaft. Während allenthalben die Mittel für politische Arbeit, fürs Nachdenken über die Zukunft zusammengestrichen werden, versenken die Bündnisgrünen ihr Geld im Beton.
Dabei: Wir sind oder waren zumindest eine Partei der Gesellschaft. Dieses aufzugeben wäre ein schwerer Fehler, wäre politisch schädlich und machte uns ärmer. War es nicht der Charme der Grünen, daß sie Menschen vertraten, die offen waren, deren Interessen noch nicht eindeutig verortet waren.
Mit den Fonds haben wir in den vergangenen Jahren die Kanäle in die Gesellschaft offengehalten. Ein paar hundert, ein paar tausend Mark sicherten das regelmäßige Gespräch mit den Gruppen vor Ort, brachten die Anliegen der Gesellschaft immer wieder zurück in die Partei. Wir konnten Meinungen bilden, und das alles demokratisch und zu einem konkurrenzlos günstigen Preis. Der Verzicht auf die Fonds kommt dem Verzicht auf eine gehörige Portion Gestaltungskraft im gesellschaftlichen Diskurs gleich.
Denjenigen, die am lautesten nach Reformen bei den Ökofonds rufen, müßte auch klar sein, daß tote Fonds nicht mehr reformiert zu werden brauchen. Wichtig für das Überleben ist, daß die schmale finanzielle Grundlage zumindest bleibt. Denn kommen in Suhl die Finanzstrategen mit ihrem Vorschlag durch, können die Fonds die Bude in einigen Bundesländern nur noch zumachen. Die Bremer Grünen zum Beispiel, deren „Goldesel Ökofonds“ bisher rund 7.000 Mark zu verteilen hatte, dürfte sich künftig mit 2.800 Mark im Jahr der politischen Lächerlichkeit preisgeben. In Berlin könnten wir künftig noch Projekte mit jeweils 300 Märkern beglücken. Aber womöglich ist das ja gewollt.
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