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Pläne für 50 Jahre Wachstum

■ Der Wirtschaftssenator will das Naturschutzgebiet Hollerland bebauen - und nicht nur das

Bremen expandiert nicht, aber es muß. Mit diesem Grundgedanken plant das Wirtschaftsressort zukünftige Gewerbeflächen in einer Dimension von mehr als 1.500 Hektar rund um Bremen herum – bis zur Landesgrenze. Zum Beispiel soll das Hollerland, nach heftigen Konflikten zum Naturschutzgebiet erklärt, völlig zum Stadtgebiet werden. 25 Hektar zwischen Lehester Deich und derzeitigem Uni-Gelände sollen gewerbliche Baufläche, mindestens genausoviel für Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden werden: Die alte Idee „einer Hollerstadt“ aus den 70er Jahren ist in den internen Papieren auferstanden.

Auch am südöstlichen Rande Bremens soll die Stadt um mehr als 400 Hektar Netto-Baufläche zwischen Weser und A1 bis an Achim heranwachsen. Die SPD hatte die Idee („Euro-Hansa-Zentrum“) vor 14 Tagen vorgestellt – allerdings mit zwei Bedingungen verknüpft: Andere Gewerbeflächen-Projekte wie etwa die Ausweitung des Technologieparks ins Naturschutzgebiet sollten dafür fallen gelassen werden, und zweitens sollte diese Entwicklung in einer gemeinsamen Projektgesellschaft mit Niedersachsen passieren. Im Wirtschaftsressort hält man davon rein gar nichts: Am Autobahnkreuz, wo Achim gern ein Gewerbegebiet verkehrsgünstig entwickeln würde, blockt Bremen die Kooperation ab. Stattdessen sollen in den nächsten zehn Jahren die Flächen hinter der Hemelinger Marsch bis zur Landesgrenze zum Gewerbegebiet erklärt werden.

„Ritterhuder Heerstraße“ ist ein anderes Konfliktthema mit den Nachbarn: Hier sollen Großmärkte entstehen, die die Käufer aus Osterholz anlocken würden. SPD und CDU sind dagegen, das Wirtschafts ressort hat die Fläche, die seit Jahren in der Diskussion ist, zum „1. Bauabschnitt“ erklärt und will 34 Hektar als „2. Bauabschnitt“ in den Plan dazunehmen.

Mit großzügigem Stift wird in dem Entwurf einer Fortschreibung des „Integrierten Flächenprogramms“, der seit dem 26. November intern vorliegt, an einigen Stellen der Stadt Gewerbe aufs Papier gemalt. „Nachverdichtungspotentiale“, wie sie die SPD gern besonders ins Zentrum gerückt gesehen hätte, interessieren den Wirtschaftssenator dabei weniger. Auf 14 „Stadtgewerbeflächen“ kam die SPD, darunter sind große Gelände wie der Ölhafen Süd und kleinere Objekte wie das Postamt 5 und das TÜV-Gelände in Hastedt. Mehrere hundert Hektar potentieller Gewerbeflächen liegen in der Stadt brach, „eine zügige Erschließung und Vermarktung muß sichergestellt werden“, forderte die SPD.

Das Problem wird in dem Entwurf des IFP (Integriertes-Flächen-Programm) des Wirtschaftssenators unter der Überschrift „Reaktivierung von Altflächen“ nur allgemein abgesprochen, wegen hoher Altlasten bzw. Abriß-Kosten könnten diese Flächen nur einen „begrenzten Beitrag““ zum Neuflächen-Bedarf leisten.

„Ohne uns“, sagt der wirtschafts politische Sprecher der SPD-Fraktion, Detmar Leo, insbesondere zu den Planungen ins Naturschutzgebiet hinein. Auch den Krieg mit dem Umland will der SPD-Mann nicht mitmachen; wenn „Euro-Hansa-Park“, dann von Anfang an zusammen mit Niedersachsen. Und vor allem: Bevor wieder riesige Grünzüge am Stadtrand in den Blick der Gewerbeflächen-Planer gerückt werden, soll das Wirtschaftsressort endlich eine Bilanz der letzten Jahre vorlegen. „Alle zwei Jahre“ sollte Bilanz in der Flächenpolitik gezogen werden, hatte Wirtschaftssenator Jäger 1993 bei der Vorlage des ersten Flächen-Programms versprochen. Von der überfälligen Bilanz erwartet sich die SPD vor allem Aufschluß darüber, ob der Eindruck stimmt, daß in den Jahren 1995 und 1996 nicht mehr als in den Vorjahren an Flächen wirklich gebraucht wurden – 1994 waren es gerade 22 Hektar. Das neue Flächenprogramm umfaßt aufsummiert über 1.500 Hektar – genug Platz also für 50 Jahre Wachstum. K.W.

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