Bremen beschaulich

■ Henriette Carola Deppes neue Bremensie „Ansichten vom Fluß“ entwirft ein harmloses Bild von der Weser-Metropole

Die Herausgeber von Bremensien sind umtriebige Leute. Jahr für Jahr lassen sie eine Flut von Büchern über die alte und ruhmreiche Hansestadt auf uns niedergehen, und Jahr für Jahr beschleicht uns das Gefühl, nun müsse doch langsam mal alles geschrieben und gesagt sein. Doch weit gefehlt, denn darauf kommt es gar nicht an. Es kommt, so lehrt Henriette Carola Deppes neue Bremensie „Ansichten vom Fluß“, einzig darauf an, wie man das Bekannte und Vertraute neu zusammenstellt.

Auf 127 Seiten widmet sich die vor drei Jahren in die Hansestadt gezogene Autorin dem Leben an, mit und in den Weserkilometern auf bremischem Stadtgebiet. Gestützt auf Interviews mit Einheimischen, auf Legenden und wohl auch auf andere Bremensien-Bände wird das Thema in gebührender Vollständigkeit durchgearbeitet. Vom neuen Weserwehr ist da etwa die Rede oder vom Einerseits-Andererseits der Teerhof-Architektur; hinzu gesellen sich Kurzbeschreibungen über die Arbeit im Hafen oder über Sitten wie die Eiswette und das Schaffermahl. Jede Menge Déja-Vù-Erlebnisse also, doch Photographien Stefanie Prahls lockern das Ganze auf.

Weil man sich bekanntlich früher noch nicht immer an früher erinnern mußte, wird der Vergangenheit großer Raum eingeräumt. An die besonderen Berufsjargons der Stauer oder Heringslogger wird erinnert. Die alten Leute, die als Kinder in der Weser gebadet und aus den schneeweißen Stränden Sandburgen gebaut haben, kommen zu Wort. Und schließlich - sei's Verklärung, sei's historische Tatsache - wird auch von regelrechten Fischschwärmen berichtet, die den Fluß dereinst bevölkerten.

Der Kreis von Nostalgie und Moderne wird indes gleich zu Beginn geschlossen. Ganz bewußt macht nicht etwa ein Kapitel über den Wirtschaftsweg Weser den Anfang, sondern ein Abschnitt über den Fluß als Ort für Wohnen und Freizeit. Zum Auftakt und im ganzen Buch wird ein beschauliches, fast harmloses Bild von der Stadt am Fluß entworfen, das mit den real existierenden Problemen kaum etwas zu tun hat. So empfiehlt sich das Buch für alle, die Industriegeschichte als Histörchen und als Rückbau buchstabieren und einen Ausflug zum verdächtig oft erwähnten Café Sand für ein Erlebnis halten. ck

Henriette Carola Deppe: „Ansichten vom Fluß“, Donat-Verlag, Bremen, 1996